FF: Warum zog es Sie ausgerechnet in die Mongolei?
Antwort: Mit über 50 abgewickelt und damit in Deutschland chancenlos. Durch einen
Hamburger Geschäftsmann kam ich nach Usbekistan, für den ging ich im Januar 1995 auf den
mongolischen Markt.
FF: Welches sind die wichtigsten Veränderungen?
AA: Als ich damals hinkam, gab es nur einige chinesische Erzeugnisse, aber kaum
Hochwertiges aus Europa. Hier heute kann man fast alles kaufen. Private Klein- und
Mittelbetriebe fielen damals kaum ins Gewicht, heute sind es nach meiner Kenntnis in
Ulaanbaatar 60 000 private Händler. Dazu auch private Produzenten, die zum Beispiel
Stoffe aus Korea und China zu Konfektion verarbeiten, auch für den Export in die USA. In
diesem Zweig arbeiten 5000 Menschen, das ist noch Zuwachs möglich
FF: Was kann die Mongolei selbst verkaufen?
AA: Im Lande schlummern abbaubare Erze von über 40 Elementen des Periodensystems. Aber
wegen der schwachen Verkehrsinfrastruktur werden bisher die wenigsten gefördert. Nach
Europa, von wo die Mongolei immer mehr Nahrungsmittel bezieht, könnte reichlich Fleisch
liefern - Bio-Fleisch von Tieren, die nur im Freien gehalten werden. Aber EU-Einfuhrquoten
versperren den Weg. Lederwaren entsprechen meist noch nicht der in Europa verlangten
Qualität.
FF: Und was kann man in der Mongolei absetzen?
AA: Viele Mongolen hätten gern Lebensstandard, den sie dank der Reisefreiheit gesehen
haben. Hochwertige Möbel habe ich verkauft, in beträchtlichem Umfang, aber das
Absatzpotential ist immer noch riesig. Wo vorher nichts war, sind natürlich die
Zuwachsraten enorm. Ein anderes Beispiel: 1990 gab es ganze 200 Privatautos - für 1997
weist die Statistik allein für Ulaanbaatar 60 000 private Kfz aus. Das ist in allen
Branchen so.
FF: Wie fördert die Politik den Außenhandel z.B. mit
Zöllen?
AA: Hier gibt es noch keine Kontinuität. 1995 lagen die Importzölle bei 25 Prozent, nach
dem Regierungswechsel vor etwa zwei Jahren wurden sie auf zehn Prozent gesenkt, außer bei
Hochsteuerwaren wie Zigaretten, Spirituosen und Autos. Seit Juli 98 sind die Importzölle
abgeschafft und neu die 13prozentige Mehrwertsteuer eingeführt worden. Angesichts solcher
Kurswechsel läßt sich die Mongolei nicht mit hochzivilisierten Ländern vergleichen.
Erhöht wurden zuletzt die Einfuhrzölle für Fahrzeuge älterer Baujahre.
FF: Was können sich Mongolen leisten?
AA:·Die·meisten nicht viel bei Durchschnittslöhnen von etwa 50 Dollar. Die unter dem
Existenzminimum leben müssen, können nur Einheimisches kaufen. Dabei sind Nahrungsmittel
relativ billig, Nr. 1 ist Fleisch - jeder verzehrt pro Tag 800 Gramm vorwiegend Hammel-
und Ziegenfleisch, da kostet das Kilo um die 25 Cent. Preiswert sind Mehl und Zucker. Die
meisten Menschen hungern nicht. Mieten sind noch sehr niedrig, die Kilowattstunde kostet
etwa 1 Cent.
FF:·Welche Anstrengungen macht das Land, um mehr für
Eigenbedarf und Export herzustellen?
AA: Entstanden sind etliche kleine Firmen für Fleisch- und Milchverarbeitung, für die
Herstellung von Brot und Backwaren. Joghurt und Sahne im Becher - daran war vor zwei
Jahren noch nicht zu denken. Daß immer mehr kleine Firmen eigene Rohstoffe selbst für
den Bevölkerungsbedarf verarbeiten, darin sehe ich eine meiner Aufgaben. Unter anderen
habe ich deutschen Firmen den Weg zu Joint Ventures geebnet, so beim Bau einer
Kleinbrauerei, und deren Errichtung mitorganisiert. Demnächst nimmt eine Keksfabrik die
Produktion auf, in der deutsche Maschinen stehen. Zwei mongolischen Firmen habe ich
geholfen, ein Joint venture mit einem Unternehmen aus Hongkong zu gründen - die
Handstrickerei für Cashmirepullover mit 250 neuen Arbeitsplätzen nimmt in den nächsten
Wochen die Produktion auf. Handgestrickte Qualität ist besser als von der Maschine, das
bringt höhere Erlöse.
FF: Macht die Regierung dem Auslandskapital den Einstieg
leicht?
AA: Die Verantwortlichen wissen, daß es ohne ausländische Investoren keine weitere
Entwicklung des Landes geben wird. Von eigenen Banken kommt wenig Unterstützung. Die
Investitionsgesetze sind inhaltlich gut, aber die Wege durch die vielen
Entscheidungsebenen sehr lang. Viel Zeit vergeht, bis Investoren tätig werden und die
Firmen arbeiten können.
FF: Ist es ausländischen Firmen gestattet, Land zu erwerben?
AA: Ein Gesetzentwurf für den Landerwerb liegt vor. Danach sollen ausländische Firmen
Land kaufen können, wenn sie es bebauen und bewirtschaften. Damit sollen
Bodenspekulationen ausgeschlossen werden
FF: Wie ist das Verhältnis zu Rußland und China?
AA: Das hat sich normalisiert. Die Mongolei und ihre Nachbarn wissen, daß sie aufeinander
angewiesen sind. China ist der größte Handelspartner, viel Umsatz entfällt auf die
Innere Mongolei. Vom südlichen Nachbarn kommen vor allem Lebensmittel und Textilen, von
Rußland Elektroenergie und Kraftstoffe. Jetzt wird rational und zweckmäßig gedacht.
FF: Wie sind andere Länder vertreten?
AA: Aus Japan und anderen ostasiatischen Ländern kommen viele Erzeugnisse der
Elektrotechnik und Elektronik. Joint ventures entstanden in den letzten Jahre vor allem im
Erzbergbau, zum Beispiel mit Kanada in der Goldförderung, mit den USA sollen denächst
Uranvorkommen ausgebeutet werden. Die Amerikaner sind auch in die Cashmireverarbeitung
eingestiegen. Japan hat eine Kooperation mit den Kupfer-Molybdän-Kombinat in Erdenet
vereinbart, das ja ein mongolisch-russisches Joint venture ist.
FF; Ein Land viermal so groß wie Deutschland, zwei
Eisenbahnstrecken im östlichen Drittel, kaum Straßen - kommen da Ausrüstungen für ein
kleines Wasserkraftwerk im 1000 Kilometer entferten Gobi-Altai an?
AA: Ja, und das ist immer wieder erstaunlich. Auf Feldwegen mit Lkw, Kleintransportern und
allradgetriebenen Fahrzeugen. Stellenweise werden auch Pferde und Kamele vor beladene
Wagen gespannt. Es gibt ausgeprägtes Inlandflugnetz, das viele Orte zwischen 5000 und
10.000 Menschen bedient und Personen wie Frachten befördert.
FF: Was findet der Urlauber in der Mongolei vor?
AA: Natur pur und und Paradiese für Jäger, Angler, Bergsteiger, Abenteuertouristen und
selbst für Paragliding. Aber vieles ist noch nicht erschlossen, es fehlt an
Serviceleistungen und zumutbaren Unterkünften. Hier sehe ich auch Möglichkeiten, mit der
Mongolei und ihren unmittelbaren Nachbarn gemeinsam Projekte zu verwirklichen. Denn die
Mongolei ist ja nicht allein interessant in dieser Region.
FF: Wie engagiert sich die deutsche Wirtschaft?
AA: Es gibt etwa seit einem Jahr stärkere Bemühungen, mit der Mongolei gemeinsame
Projekte zu entwickeln. 1997 waren der Mongolische Wirtschaftsverein Chemnitz und die
dortige IHK vor Ort, zuletzt im Mai führte eine Berliner Delegation, initiiert von
Senator Pieroth, in Ulaanbaatar Gespräche. Da sehe ich vielversprechende Ansätze, vor
allem im produktiven Bereich.
FF: Wie kommen Sie mit der Sprache zurecht?
AA: Einige Alltagsausdrücke kann ich mongolisch. Aber etwa 40 000 Mongolen, die in
Deutschland studiert haben oder ausgebildet wurden, beherrschen unterschiedlich gut
deutsch. Die meisten meiner Partner sprechen exzellent russisch. Und wenn es mal nötig
sein sollte, dann helfen mir mongolische Freunde über die Klippen. Jetzt werden überall
Sprachen gelernt, vor allem Englisch, Deutsch und Französisch
FF: Was haben Sie vom Lande gesehen?
AA: Bestimmt mehr als viele Mongolen. Ich bin mit dem Geländewagen mehr als 10.000
Kilometer unterwegs gewesen. Aber kaum in der wärmeren Gobi-Region.
FF: Die Mongolei ist für ihre langen und kalten Winter
bekannt - wie halten Sie die aus?
AA: Mit zusätzlichen Heizkörpern. Mehr als die Kälte macht mir die Hitze im Sommer zu
schaffen. Allerdings waren minus 50 Grad letzten Winter doch etwas hart. Strom und
Zentralheizung gibt es, Warmwasser auch. Die Leitungen sind ziemlich veraltet, da kommt es
auch vor, daß ein, zwei Tage die Innentemperaturen stark zurückgehen.
FF: Was vermissen Sie dort am meisten?
AA: Mein Zuhause und meine Familie natürlich. Und als Feinschmecker Spezialitäten wie
einige Käsesorten und Fische aus dem Salzwasser.
FF: Und wieviele Winter halten Sie noch aus?
AA: Solange das meine Familie noch mitmacht und solange es die Ärzte nicht verbieten,
beabsichtige ich dortzubleiben. Denn in Deutschland werden meine Chancen, Arbeit zu
bekommen, nicht größer.
Dieter Eichhorn - Kurzbiografie
Geboren 1941 im fränkischen Coburg, aufgewachsen im Kreis Hildburghausen, 1966 bis 1968
Lehrerstudium, anschließend zwei Jahre tätig an der Pädagogischen Hochschule Güstrow.
Danach gelang der Absprung nach Berlin in den Außenhandel. Als die Anerkennung der DDR
massenhaft einsetzte, baute Eichhorn die Diplomatenversorgung mit auf und war dort
angestellt bis zur Abwicklung 1991. Nochmal abgewickelt wurde er 1994 als Prokurist einer
Großhandelsfirma. Für einen Hamburger Duty-Free-Händler zunächst nach Usbekistan und
1995 weiter nach Ulaanbaatar. Seit einem Jahr dort selbständig.·Seit 1978 wohnhaft in
Mühlenbeck, verheiratet, ein Sohn.
Quelle: mit freundlicher Genehmigung von Hugo
Kröpelin, News Stories Photos aus Berlin und Brandenburg
(September 1998)
MongoleiOnline
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Last Update: 03. Januar 2022