"Saikhan khooloroi" beim Hirtenschmaus in der Steppe
Von Hugo Kröpelin

In Ulaanbaatar im Hotel ist für den Neuankömmling fast noch alles normal. Die besten Herbergen haben sich mächtig rausgemacht seit dem Abschied vom sozialistischen Karo-Einfach-Standard. Wenn es auch manchmal aus dieser oder jener Küche etwas stärker nach Hammelfleisch duftet oder eben Kartoffeln nicht Salzkartoffeln aus dem Topf einer deutschen Hausfrau sind. Die Gäste aus dem Ausland langen tüchtig zu. Auch Hoteliers und Reiseveranstalter in den Bezirkshauptstädten machen große Fortschritte dabei, die Geschmacksnerven von Gästen aus Europa oder Amerika möglichst genau treffen. Schließlich möchten die gastgebenden Verwaltungsbeamten oder Wirtschaftsgrößen in Zezerleg oder Uliastai auch glänzen.

Draußen in der Steppe, weitab von den Fernverkehrspisten, warten kulinarische Überraschungen. Einen gedeckten Tisch findet man zu jeder Tageszeit im "Ger", der Jurte des Viehzüchters vor. Die nach Süden weisende Tür zum runden hellgrauen Filzzelt ist nie verschlossen. Auch wenn die Familie bei der Herde ist, kann der ermattete Reisende eintreten und sich laben. Teeschalen und schwarzer Ziegeltee ("suutejzai" - Tee mit Milch) in Thermosflaschen stehen auf dem niedrigen Tischchen hinter dem Jurtenofen. Als feste Nahrung findet der Eintretende auf großen Tellern verschiedenes Gebäck und aus Milch hergestellte Speisen vor. Nahezu immer ist "Aaruul" dabei, der leicht gesüßt und auf dem Jurtendach in großen Fladen getrocknet wird. Doch Vorsicht mit den Zähnen - Sonne und die äußerst geringe Luftfeuchtigkeit verleihen diesem eiweißreichen Gebäck nahezu die Härte von Steinen. Ich schwärme für "Urum", das sind etwa streichholzgroße Stückchen Rahm, der nach dem Kochen abgeschöpft und geronnen wurde. Mit aus Milch hergestellt Speisen bestreiten die Hirtenfamilien auch den größten Teil ihres Vitaminbedarfs. Weißbrot wird von privaten Händlern aus der nächsten größeren Siedlung herangefahren, die ist nicht selten 30 bis 60 Kilometer weit.

Fleisch von Schaf, Ziege und Rind ist garantiert Biofleisch. Denn die Tiere werden zu allen Jahreszeiten auf der Weide gehalten, wo sie sich von auf dem Halm getrockneten Gräsern ernähren. Nur bei Unbilden des Winters werden sie in Khaschaane getrieben, das sind nach Süden offene hölzerne Unterstände, in die gleichzeitig etwa 500 Schafe hineinpassen. Geschlachtet und zerlegt wird zu ebener Erde. Das Fleisch kommt ausschließlich gekocht auf den Tisch. Erst beim Servieren zerteilen die Gastgeber die großen Stücke portionsgerecht.

Als "Schmeckerchen" für Gäste aus dem Ausland kredenzen die Hirten gern  "Jamaany boodog". Kürzeste Übersetzung für dieses rustikale Mahl: Ziege von innen gegrillt. Das Tier wird abgestochen und ausgeblutet. Dann entnimmt der "Koch" dem Körper, ohne diesen aufzuschneiden, die Innereien und füllt den Hohlraum mit heißen Steinen aus einem Holzfeuer. Auch etwas Salz und andere Gewürze tut er hinein, dann wird der Körper am Hals und "unten" fest zugebunden. Mit der Lötlampe sengt der "Koch" das geschorene Fell sauber ab und befördert damit die Garung. Eine Stunde vergeht mit Besichtigung der Jurte und Verkostung des Airag, der kühlen gegorenen Stutenmilch und vielleicht auch einem Ritt auf des Gastgebers Pferden. Dann haben die Steine ihre Hitze abgegeben. Der "Boodog" kann angeschnitten werden. Die Fleischstücke werden mit Knochen gereicht, Messer und Gabel gehören unter freiem Himmel nicht zum Standard, deshalb sind härtebeständige Zähne angebracht. Gegessen wird dazu meist Weißbrot. Mit Vorliebe löffeln die Hirten die Soße aus der Ziege in die Porzellanschälchen der Besucher.

Diesem Gericht ähnlich ist "Tarwagany horchog" - Murmeltier-Goulasch. Das geschossene Tier wird an Ort und Stelle abgezogen, ausgenommen und zerlegt. Ohne Knochen kommt das Fleisch zusammen mit Salz, Steppenkräutern und heißen Steinen in eine Milchkanne, die man zur Beschleunigung der Garung noch auf ein offenes Feuer stellt. Ob in der Jurte oder in der Natur - mit einem Archi, dem mongolischen Wodka russischer Rezeptur, lassen sich Fleischgerichte am besten verdauen. Na dann auf mongolisch: "Saichan Khooloroi!"

Quelle: mit freundlicher Genehmigung von Hugo Kröpelin, News Stories Photos aus Berlin und Brandenburg
(März 2000)


   

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