Nach drei Tagen hat man sich an das meiste gewöhnt
Ein Finsterwalder liefert Mongolen Heizungen mit Service

Von Hugo Kröpelin / Berlin


Neubauten in Gachuurt kriegen nie Fernwärme und brauchen eine interne Heizung. In der Jurte hat der eiserne Ofen Tradition 

Der Mann mit der Schüttelfrisur fällt auf. Ob am späten Abend im „Chinggis-Club" oder im dichten Trubel der Markthalle „Dalai Eedzh". Reichlich zwei Jahre ist er jetzt in der Mongolei. Dabei hätte er am liebsten gleich kehrt gemacht. „Es war zu Anfang richtig deprimierend – so wenig grün, so viel grau und so viel Müll", erinnert sich Frank Müller. Aber der nächste Airbus der mongolischen Fluggesellschaft startete erst eine Woche später wieder von Ulan-Bator nach Berlin.

„Nach drei Tagen hat man sich an das meiste gewöhnt", stellt er heute fest. Grüner geworden ist es zwar nicht, schließlich ist das erste Gras nicht vor Anfang Mai zu sehen. Anfang September fallen die ersten Blätter, und seit Mitte November ist der Frost dauerhaft und die Umgebung verschneit. Aber wie er beobachtet hat, liegt nicht mehr so viel Müll herum. „Auch die Einkaufsmöglichkeiten sind besser geworden. Was man zum Leben braucht, gibt es in den Geschäften." Zugenommen habe auch die Zahl der Gaststätten, „wo man anständig essen kann".

Ob er wieder Heizungen bauen möchte, war er im Frühjahr 1998 gefragt worden. Der 42-Jährige, der zu DDR-Zeiten Gas-Wasser-Installateur gelernt und noch ein kaufmännisches Studium absolviert hatte, erkundigte er sich nach dem Wo und Wann. „In der Mongolei und möglichst bald", lautete die Antwort von Erwin Vietzke. Der Geschäftsführer der Stahlbau GmbH in Stechau (Elbe-Elster) wollte zusammen mit einer Firma in Ulan-Bator Heizungen bauen und war nach einigen Besuchen zu der Überzeugung gekommen: Funktionieren kann das nur mit einem eigenen Mann vor Ort.

Der Ort im engeren Sinne ist der Stadtbezirk Bayanzurkh im Osten der Hauptstadt. Der hiess früher „Nairamdal", das ist das mongolische Wort für Freundschaft. Die Freunde waren in der Mehrzahl sowjetische Truppenteile mit eigenen Quartieren, Garagen, Geschäften und Krankenhäusern. Als die 1991/92 abgezogen waren, streckten Einheimische ihre Finger aus. Was nicht niet- und nagelfest war wie Armaturen und Fenster, wurde abmontiert.

„Richtig entkernt" hat Frank Müller die Baracke in Erinnerung. Viel mehr als das Fundament war nicht mehr zu gebrauchen. Folgt man über brüchigen Asphalt und Schotter, vorbei an einem Lehrgebäude der Technischen Universität, dem VIBO-Schild, fällt es schwer, sich den Anfang vorzustellen. „Hier ist alles neu und nach deutschem Standard", erzählt Frank Müller, der sein Domizil mit einer gutklassigen Bauarbeiterunterkunft in der Heimat vergleicht. Hier wohnt er, hat für sich Stube, Schlafzimmer, Küche und Bad, alles mit Wärmedämmung und Heizung. Das Büro, das Lager und der Sanitärtrakt für die Mitarbeiter schließen sich an. Warum die Fenster sämtlich vergittert sind? Die Not bringt eben auch in der Mongolei Kriminelle hervor.

Müllers Kunden nehmen das gar nicht wahr. Auf ihren Baustellen haben sie Nachtwachen. Die Ölheizung, für die sie sich interessieren, kann ihnen der Technische Direktor gleich hinter der Eingangstür in Funktion vorführen. Eigenheimbau und individuelle Heizungen waren vor wenigen Jahren in der Mongolei noch kein Thema. Inzwischen sind außer der deutschen Firma auch Südkoreaner, Chinesen und Russen auf dem Markt. „Mit dem Unterschied, dass wir nicht nur verkaufen, sondern den kompletten Service bieten von Beratung über Verkauf und Montage bis zur Garantie", betont Müller, der das alles bei mehreren Firmen in Deutschland verinnerlicht hat.


Kundenberatung bei  VIBO: Frank Müller empfiehlt eine Heizung, wenn er weiß, welche Voraussetzungen wie Strom und Wasser vorhanden sind

Die Kunden von VIBO sind in der Regel private Firmen. „Manche bestellen einen auf ihre Baustelle, damit ich ihnen eine Heizung projektiere. Doch wenn man nach Wasser fragt, stellt sich heraus, dass der nächste Anschluss vielleicht 15 oder 20 Kilometer weit ist." Auch gebe es Kunden, die bauen zusätzliche Heizkörper für Anbauzimmer ein und wundern sich dann, dass es nicht warm wird, weil die Leistung dafür nicht ausreicht. Ob der Heizkörper die richtige Größe hat, richtig angeschlossen ist und in das System passt, danach fragt hier niemand. Hier kommt viel Kleinkram auf den Tisch, der in Deutschland undenkbar ist, weil man mit Bauleitern und bauleitenden Monteuren arbeiten kann."

Die Mongolen improvisieren heute fast so wie die DDR-Bürger, hat Frank Müller in den gut zwei Jahren erfahren. „Da staunst du nur, woraus man alles eine Heizung bauen kann." Der Umsatz sei höchst kundenabhängig. „Da kommt es vor, dass einer Leitungen und Heizkörper aus Russland, den Boiler und den Schornstein selbst bauen und nur den Kessel von VIBO haben möchte. Alles ohne behördliche Baugenehmigung, ohne DIN-Vorschriften und ohne Qualitätsabnahme". Hauptsache warm! Manche Wünsche seien so exotisch, da frage er erst mal Firmen in Deutschland, ob es dafür eine Lösung gibt und zu welchem Preis.

Eigentlich wollte der stämmige Mann aus Finsterwalde nur eine Weile bleiben und das Personal schulen, bis sich das Joint venture VIBO (Vietzke-Bold) selbst trägt." Jetzt hat er sich mit seinem Geschäftsführer zu der Meinung durchgerungen, „dass das vier bis fünf Jahre dauern wird". Denn seine Mitarbeiter, die er mit der Dolmetscherin in der Stadt gesucht hat, sind nur angelernt. „Die beherrschen etliche Handgriffe, aber Grundwissen bringen sie nicht mit."


Der Technische Direktor mit dem größten Teil der Belegschaft vor dem Firmensitz hinter dem Stadtgericht

Auf einer Betonfläche gleich hinter der VIBO-Baracke hat Erwin Vietzke in eine Halle für die Weiterbildung des Personals investiert, der erste Lehrgang für Elektriker ist schon gelaufen. „Auch Lehrgänge für Sanitärtechniker, Schweißer und Isolierer sind fest programmiert", betont Klaus Bormann, Chef der „Deutschen Mongolei Agentur" und Leiter dieses Weiterbildungsprojekts. „Wenn VIBO im Komplettangebot Qualität liefern will, werden Mitarbeiter mit Kenntnissen und Fertigkeiten nach europäischem Standard gebraucht", gibt er die Meinung des Stechauer Geschäftsführers wieder. „Mit hoher Funktionssicherheit und Zuverlässigkeit machen wir indirekt auch Werbung für deutsche Heizungen." Über 100 Mongolen sollen in drei- bis achtwöchigen Kursen zu Heizungstechnikern und Kundendienstmonteuren fit gemacht werden. Nicht nur von VIBO, sondern auch anderen Baufirmen der Hauptstadt. Da Ölheizungen auch in den größeren Städten Darkhan und Erdenet Einzug halten, sind von dort weitere Kursteilnehmer zu erwarten. Als Ausbilder konnte Bormann deutsche Seniorexperten gewinnen.

Das Projekt ist die erste deutsche public-private partnership in der Mongolei, geschlossen zwischen der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit und der Stahlbau GmbH. Als sie Ende Oktober per Unterschriften besiegelt und die Werkstatt offiziell eröffnet war, hatten Vietzke, Müller und Bormann stressreiche Wochen hinter sich. Ein Teil der Ausstattung und der aus Deutschland gelieferten Bauteile war lange an der russischen Grenze festgehalten worden. Jetzt ist der 120 Quadratmeter große Bau einzigartig, weil nicht vom öffentlichen Fernwärmenetz abhängig. Bormann: "Wenn es draußen Stein und Bein friert- bei uns gibt es keinen Ausfall."

Ein bisschen von Land hat Müller auch gesehen. Dienstlich war er im Arkhangai zu tun, einer berg-, wald-, fluss- und fischreichen Gegend etwa 400 Kilometer westlich von Ulan-Bator. Der Bezirk Khenti ist ihm als gelbe Steppe in Erinnerung. Für Tschoibalsan, die Bezirksstadt im Ostzipfel, hat er nur das Wort „trostlos" übrig. „Dort waren mal 100.000 Bewohner mit sowjetischem Militär. Seit die Truppen weg sind, hat die Stadt gewaltig an Leben eingebüßt. Aus den meisten Kasernenbauten starren einen fensterlose Löcher an."

Mit Problemen muss der Deutsche auch in Bayanzurkh leben. Zum Beispiel mit Stromausfällen. „Erkundigt man sich nach der Ursache, dann ist mal das ganze Gebiet abgeschaltet worden, weil einer die Rechnung nicht bezahlt hat." Mehrwertsteuer gebe es wie in Deutschland. „Aber viele kleine Firmen weisen die nicht aus, so dass die in die nächste Rechnung wieder mit rein kommt." Rechnungen gar nicht bezahlen sei eine Art Volkssport. „Aber schlechte Zahlungsmoral für Baufirmen ist ja in Deutschland auch weit verbreitet", hört und liest er bei jedem Urlaub in der Heimat.

Der Winter ist für den Familienvater vor allem Arbeit am Kunden, der Bau kommt fast völlig zum Stillstand. Den festen Mitarbeitern zahlt er dann 60 Prozent, die freien können sich anderswo auf dem Arbeitsmarkt umsehen. Mit Geschäftsführer Vietzke hat er einen Sechs-Wochen-Rhythmus ausgemacht. „Manchmal werden es auch neun oder zwölf Wochen Arbeit." Zwei Wochen Heimat sind auch nicht Urlaub pur. „Zwei Tage brauche ich, um den Zeitunterschied zu kompensieren, und in Firma und Behörden hat man auch was zu erledigen."

Die Härte für das Familienleben drückt er nicht einfach weg: „Ich verpasse einiges bei der Entwicklung meiner beiden Töchter." Mit einigen Freunden in der kleinen deutschen Kommune trinkt er manchmal ein Bier, dabei erfährt man, wer demnächst nach Berlin fliegt und Post mitnehmen oder einen Einkaufsauftrag erledigen kann. Mit denen macht er hin und wieder eine Picknicktour in die herrliche Umgebung. Und so lange ist es nicht mehr hin bis zum nächsten Heimflug.

Quelle: (Mit freundlicher Genehmigung der „Lausitzer Rundschau", die den Artikel in einer kürzeren Fassung am 31.März abdruckte)

Quelle: mit freundlicher Genehmigung von Hugo Kröpelin, News Stories Photos aus Berlin und Brandenburg


   

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Last Update: 03. Januar 2022