Die Deutsche Mongolei Agentur aus Ulaanbaatar präsentiert:
von Dr. Renate Bormann, Ulaanbaatar
Die Kunst der Liebe. 2002
Üblich ist das nicht in der Mongolei: Ein junger
Mann, 16 Jahre, zieht von zu Hause aus und will nur eins: Zeichnen, malen und
ein anerkannter Künstler werden.
Ershuu Otgonbayar wird 1981 in Ulaanbaatar, in der Familie eines Schuhmachers
geboren. Er wächst mit sieben Geschwistern und einem Adoptivbruder auf.
Sie alle leben noch heute in Ulaanbaatar, arbeiten als Tischler und Schuhmacher
und sind sehr stolz auf den kleinen Bruder.
Der erwirbt von 1996 bis 1998 am Technikum für Produktion und Dienstleistungen
in Ulaanbaatar in der Fachrichtung für traditionelle mongolische Malerei das
Diplom als Kunstmaler. Danach studiert er bis 2002 an der Technischen
Universität in Ulaanbaatar Industrie- und Grafikdesign. Seine Diplomarbeit, für
die er das Prädikat A bekommt, schreibt er zum Thema „Geschichte der Kunst und
Architektur".
Bereits seit 1998 verdient er sich seinen Lebensunterhalt als freier Künstler.
Das Motiv „Ein Tag in der Mongolei", bei Mongolen und ausländischen Touristen
sehr beliebt, hat er schon 50 mal verkauft, seine „Pferdeherde im Sturm"
schmückte im vergangenen Jahr die Weihnachtskarte der mongolischen Botschaft in
Deutschland.
So jung er ist, hat Otgonbayar seine Werke nicht nur in Soloausstellungen in
Ulaanbaatar, sondern auch in Tokio, in Berlin sowie unlängst in Freiburg
präsentiert und ist dafür mit mehreren Preisen belohnt worden.
Der Maler ist überaus produktiv, dabei besonders an ethnographischen Details
interessiert.
Bei seinem bevorzugtem Malstil, der Miniatur, bringt er es auf eine kaum
überschaubare Fülle von Einzelheiten. Das Werk „Kunst der Liebe" misst 17,5 mal
24 cm, darauf sind 1 000 Einzelpersonen und Paare abgebildet.
Erotische Darstellungen in der lamaistischen Kunst und Darstellungen des
Nomadenalltags sind wichtige Facetten seiner Arbeit, doch „meine ureigene Kunst"
sind Kompositionen mit Menschen, Muscheln, Vögeln, Fischen, Sonnenblumen,
Margariten und Seerosen, mit Schmetterlingen, wobei er sieben Farben, die des
Regenbogens, bevorzugt.
Nur 21 mal 30 cm groß ist eines seiner Hauptwerke „Das mit meinem Herzen
empfundene Paradies". „Vorbilder schöpfe ich aus meiner Fantasie, dem Himmel,
den Blumen. Beim Musikhören folge ich meinem eigenen Rhythmus, den ich mit
Farben und Bewegungen verbinde, die ich in Figuren umsetze".
Den Untergrund für seine Bilder stellt der emsige Künstler aus gebrauchten
Stoffen her – altes Bettzeug oder getragene Kleidung, „über die meine Hand
tanzen kann". Die Leinwand wird mit einer Mischung aus Ruß, Leim und Wodka
schwarz grundiert. Seine Pinsel schneidet er aus Ziegenlammhaar selbst zu.
Bleistiftzeichnungen, bis zu 20 Skizzen für ein Detail, sind die Grundlage für
alle seine Werke. Trotz der schwarzen Grundierung wirken die Bilder Otgonbayars
nicht düster, sondern strahlen Optimismus und Lebenslust aus. „Ich will
glückliche Menschen darstellen, beim Betrachten meiner Bilder sollen die
Menschen ins Träumen geraten". Pferde und Wölfe - beide Tiere haben für die
Mongolen existenzielle Bedeutung, das eine ist unverzichtbar in der
Nomadenwirtschaft, das andere wird als Totemtier gleichsam gefürchtet und
verehrt - sind fast immer in Kampfposition zu sehen, manche seiner Miniaturwölfe
können neun Köpfe haben.
Schon als Teenager reiste Otgonbayar an historisch und kulturell bedeutsame
Stätten in der Mongolei, sprach mit Lamakünstlern, Historikern, Ethnographen, so
umfangreiche Materialien und Studien zur mongolischen Nomadenkultur und zur
buddhistisch-lamaistischen Kunst zusammentragend. Dazu gehören, um nur einige zu
nennen: 350 Studien zum Buddhismus, 60 Studien zu Formen und Schmuckelementen
des mongolischen Sattels, 100 Studien „Gebrauchsgegenstände aus dem Alltag der
Nomaden".
Das mit meinem Herzen empfundene Paradies. 2001
Im vergangenen Jahr feierten die Mongolen ihr
800-jähriges Gründungsjubiläum und mit diesem Ereignis rückte auch die
Persönlichkeit Chinggis Khaans in den Blickpunkt nicht nur der Politiker und
Ökonomen, sondern auch der Künstler.
Mit der Idee, die „Geheime Geschichte der Mongolen", das bedeutendste erhalten
gebliebene Literatur- und Geschichtsdenkmal über den Aufstieg des Steppenadligen
Temuujin zum Weltenherrscher Chinggis Khaan, in einen Comic umzusetzen,
liebäugelt Otgonbayar schon seit seiner Ausbildung. Als Vorlage diente ihm eine
überarbeitete Ausgabe nach C. Damdinsuren.
Seit 1998 bereitet er die Zeichnungen vor, hat umfangreiche Recherchen
angestellt, sich mit der Waffentechnik, der Kriegstaktik, der Kleidung, den
Frisuren, den Haushaltsgegenständen, dem Germobiliar der Mongolen im 13.
Jahrhundert vertraut gemacht.
Frau Dr. Renate Bauwe, Mongolistin und Literaturwissenschaftlerin, hat sich
bereit erklärt, den Comictext ins Deutsche zu übersetzen, sie hat auch das
Expose „E. Otgonbayar: Die Geheime Geschichte der Mongolen als Comic" verfasst.
Insgesamt wird das Werk über 500 Seiten in zwei Büchern und 12 Kapiteln umfassen. Das Manuskript des ersten Buches mit sechs Kapiteln und 255 Seiten liegt bereits vor. Sie belegen eindrucksvoll das außergewöhnliche Talent und die Ernsthaftigkeit des Künstlers. Historische Genauigkeit in Text und Zeichnungen müssen nicht dem Anspruch eines jungen und älteren Leserkreises widersprechen, der Liebe, Lebendigkeit, Aktion und Spannung erwartet.
Aus dem Comic Die Geheime Geschichte der Mongolen
Seit 2005 lebt und arbeitet E. Otgonbayar in
Berlin. Er absolviert hier einen Deutschkurs in Vorbereitung auf ein
Magisterstudium. Dazwischen malt er - in Deutschland nur bei Kunstlicht, während
er in der Mongolei bei Naturlicht malen konnte, außerdem jobbt er bei einer
Fastfoodkette.
Seine Freundin studiert im nahen Potsdam.
Nach seiner Ausstellung anlässlich des ersten Jahrestages der Eröffnung des
Mongolei -Kulturzentrums in Freiburg, freut er sich auf eine Reise nach Örebro
in Schweden. Vom 17. bis zum 30. November 2007 kann das Publikum hier einige
seiner Miniaturen bewundern.
E. Otgonbayar in Berlin
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Last Update: 03. Januar 2022