Die Deutsche Mongolei Agentur aus Ulaanbaatar präsentiert:
von Dr. Renate Bormann, Ulaanbaatar
Sukhbaatarplatz. 13.04.06
Tumulte und Demos in Ulaanbaatar in Violett,
Orange, Weiß und Blau
Die Anhänger verschiedener Bürgerbewegungen
setzten ihre Proteste gegen die angebliche Ausbeutung der Mongolei durch
internationale Bergwerksgesellschaften und die Bestechungsaffären der Politiker
auch in der vergangenen Woche fort.
Am 13. April gesellte sich der „Freie Bund der Veteranen" – die Farbe ihrer
Bänder ist weiß - hinzu. Anfangs wurde die Zahl der Teilnehmer auf 400
geschätzt, später gab die Vorsitzende des Bundes die Zahl mit 3 000 an.
Sie wollten am Nordeingang des Regierungspalastes eine Jurte errichten, was
jedoch von den Sicherheitskräften unterbunden wurde. Im Schreiben mit den
Forderungen der Veteranen geht es um Rentenerhöhungen, aber vor allem um die
Forderung, die „mit dem Namen des mongolischen Staatspräsidenten verbundenen
Straftaten aufzuklären". „Der Große Staatskhural soll die Vorwürfe untersuchen,
dafür eine Arbeitsgruppe einsetzen und dem Präsidenten bis zur Klärung alle
Rechte als Staatsoberhaupt absprechen". Ein Treffen des Präsidenten mit den
Veteranen war nicht zustande gekommen. Ein Präsidentensprecher begründete das
mit Terminschwierigkeiten, außerdem erwarte Präsident Enkhbayar eine
Entschuldigung für die haltlosen Anschuldigungen.
Eine Jurte, die unmittelbar am Bauzaun an der Südseite des Regierungspalastes
errichtet worden war, rissen die Polizisten ab. Dabei kam es zu
Handgreiflichkeiten mit den Protestieren von „Radikale Reformen", „Gesunde
Gesellschaft", „Meine Mongolische Erde", den Grünen und SAPU-Opfern, Holzstangen
flogen über den Sukhbaatarplatz. Am Sonntag standen noch vier Jurten, davon eine
„gerupfte", ohne Dachkranz und Seitenstreben.
Am 11. April hatten sich gleich mehrere Demonstrationszüge in Richtung
Nordeingang des Regierungspalastes in Marsch gesetzt. Vor dem Eingang waren
mehrere Reihen Polizisten postiert. Nur mit Mühe gelang es ihnen, die Versuche
der wütenden Menge, vor allem aus den Reihen der SAPU-Opfer, in das Gebäude
einzudringen, zu vereiteln. Diese hatten zudem gedroht, die internationale
Bahnverbindung zu unterbrechen, sollte Altjin-SAPU nicht zahlen. Der
Regierungspark und das ihn umgebende Geländer waren von zufällig
vorbeigekommenen oder eigens herbeigeeilten Schaulustigen besetzt. Die durch die
angekündigte Gegendemonstration von Anhängern der MRVP befürchtete Eskalation
der Gewalt blieb aus. Die MRVP-Demonstranten, die blaue Bänder und Tücher
trugen, stoppten vor der Börse und dem Bodi-Tower und verteidigten die
Wirtschafts- und Sozialpolitik von Präsident und Regierung.
Am Samstag standen auch die kleinen Zelte der Bürgermutpartei wieder am Südrand
des Sukhbaatarplatzes. Hier wird für ein wirksames Antikorruptionsgesetz
demonstriert. Außerdem hat die Partei ein Schattenkabinett gebildet und die DP
aufgefordert, sich daran zu beteiligen.
S. Ganbaatar, der Vorsitzende der Bewegung „Radikale Reformen", kündigte an,
auch vor „extremen Aktionen" nicht zurückzuschrecken, sollte die Regierung nicht
auf die Gesuche der Bürgerbewegungen antworten. Wir haben keine Angst".
Ganbaatar an anderer Stelle: „Wir stoppen unseren Kampf erst, wenn die Regierung
abgelöst, der Präsident seines Postens enthoben und das Parlament aufgelöst
sind. Am 18. April läuft das Ultimatum ab, das die Bürgerbewegungen der
Regierung für eine Antwort gesetzt haben.
Auch innerhalb der MRVP werden Forderungen nach einem Rücktritt der Regierung
laut.
Vor dem Nordeingang des Regierungsgebäudes. 11.04.06
„Regierung darf sich nicht hinter den Polizisten
verstecken"
Ts. Elbegdorj, der Vorsitzende der
Demokratischen Partei (DP), hat Ministerpräsident M. Enkhbold aufgefordert, sich
den Forderungen und Fragen der Bürger zu stellen und die drängenden sozialen
Probleme schnell zu lösen. Im Gegensatz zu entsprechenden Gerüchten haben er und
seine Partei jedoch noch kein einziges Mal den Rücktritt der Regierung
gefordert. Enkhbolds Regierung habe auch gar nicht die Befugnis, von sich selbst
aus zurückzutreten. Aber die Regierung sollte auf die Stimme des Volkes hören
und nicht Bürger und Polizisten gegeneinander hetzen.
Die Verträge mit „Ivanhoe Mines" dürften nicht vom Ministerpräsidenten und
seinen Kabinettskollegen hinter verschlossenen Türen abgeschlossen werden. Die
Vertragsabschlüsse gehörten zu den Aufgaben der örtlichen Verwaltungen. Ist das
Volk mit den Verträgen nicht einverstanden, müssten sie erneut auf den
Prüfstand.
Vorwürfe, er und die Minister seiner Regierung nähmen jetzt Rache für den
erzwungenen Rücktritt im Januar und wiegelten die Bürger auf, wies Elbegdorj
zurück: „Die Zeiten, in denen das Volk einem Leithammel folgte, sind vorbei".
Abgebrannte Bumbugur-Hallen
Bumbugur-Opfer werden entschädigt
Entsprechend einem richterlichen Beschluß
begann am 14. April die Auszahlung von insgesamt 300 Millionen Tugrug an die
Opfer der Brandkatastrophe des Bumbugur Großmarktes. 724 Kleinhändler hatten
ihre Existenzgrundlage und einige zudem ihre Unterkunft verloren. Außerdem
stellte sich heraus, dass beim Bau der Hallen Sicherheitsauflagen nicht erfüllt
wurden und auch beim Verkauf des Grundstücks an die „Altjin" und „SAPU" –
Eigentümerin, G. Altan, offenbar Schmiergelder gezahlt worden waren.
Altan, die sich zuvor geweigert hatte, überhaupt einen Tugrug zu zahlen: „Die
Händler haben zwei oder drei Jahre lang durch mich sehr gut verdient und wollen
jetzt durch mich noch reicher werden", erklärte sich bereit, doch zu zahlen,
nachdem ihre Tankstellen von den Behörden geschlossen worden waren. Daraufhin
wurden die Schlösser an den Tankhähnen bei „Altjin" am Abend des 14. wieder
entfernt.
Über die Höhe der Entschädigungssumme gibt es nach wie vor Streit. Die
Forderungen reichen von drei bis zehn Millionen pro Händler. Die Protestjurte
der „SAPU-Opfer" (orangefarbene Bänder und Tücher) auf dem Sukhbaatarplatz
beherbergt nach wie vor Hungerstreikende. Die Protestierer halten die vom
Gericht festgestellte Entschädigungssumme für zu niedrig: „Die stecken alle
unter einer Decke" und wollen ihre Proteste fortsetzen.
Bodenschätze allein lösen das Armutsproblem nicht
In den letzten Tagen meldeten sich in den
Medien Experten aus Wissenschaft und Forschung zu Wort, hauptsächlich Ökonomen,
und Geologen, die der gegenwärtigen Debatte um die ausländischen
Wirtschaftsaktivitäten in der Mongolei zu mehr Sachlichkeit und
Faktengenauigkeit verhelfen wollen.
Ch. Khashchuluun, Direktor der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der
Mongolischen Staatsuniversität, verwies darauf, dass Reichtum, der unter der
Erde lagert dem Staat und seinen Bewohnern allein nicht automatisch zu Wohlstand
verhilft. Die Bodenschätze müssen gefunden, abgebaut und verarbeitet werden.
Notwendig sei jedoch eine sorgfältige Vertragsgestaltung, die keine der
beteiligten Seiten benachteilige.
Wirtschaftswachstum sinkt
Der Repräsentant der Asiatischen
Entwicklungsbank in der Mongolei gab bekannt, dass sich das Wirtschaftswachstum
in der Mongolei nicht so gut entwickelt habe, wie erwartet: 2005 waren es 6,2,
2006 werden es 6,0 Prozent sein und 2007 sinkt es wahrscheinlich auf 5 Prozent.
Japanische Parlamentarier verzichten auf
Mongoleibesuch
Am Donnerstag berichtete die „Zuuny Medee"
über die vergeblichen Versuche der Boeing-767 der ANA –
Luftverkehrsgesellschaft, am Mittwoch auf dem Chinggis-Khaan-Flugplatz in
Ulaanbaatar zu landen. Trotz zehnmaliger Bitten um Landeerlaubnis reagierte das
Flugleitzentrum nicht. In der Maschine saßen japanische Parlamentarier, die nach
der verzögerten Landung jegliche Lust verloren hatten, ihre Dienstreise in der
Mongolei anzutreten. Sie flogen umgehend zurück. Die Zivilluftfahrtbehörde und
die MIAT konnten sich den Vorfall nicht erklären und suchen jetzt nach dem oder
den Verantwortlichen.
Am 30. März musste der Airbus 310 auf seinem Flug nach Berlin via Moskau
außerplanmäßig in Kasan zwischenlanden und traf erst mit mehrstündiger
Verspätung in Berlin ein. Die Schuld wurde den Russen gegeben, die die Grenze
gesperrt hätten. Richtig sei jedoch, dass die russische Seite die mongolische
Zivilluftfahrtbehörde und die MIAT bereits am 26. und 27. März über den genauen
Zeitpunkt einer 40-minütigen Grenzschließung unterrichtet habe. Der Airbus wurde
trotzdem auf die Reise geschickt. Die angefallenen Zusatzkosten in Kasan konnte
die Flugzeugbesatzung nicht zahlen. Die im Flugzeug sitzenden Minister, Shadar
Said M. Enkhsaikhan und Bildungsminister U. Enkhtuvshin, sorgten schließlich
dafür, dass das Flugzeug weiterfliegen konnte.
Dr. W. Wagner
Auszeichnung für GTZ-Projektberater
Gesundheitsminister Dr. L. Gundalai
zeichnete Dr. Wolf Wagner, Chefberater für das deutsch-mongolische
Gemeinschaftsprojekt „Verbesserung der Reproduktiven Gesundheit", in der
vergangenen Woche mit der Verdienst- und Ehrenmedaille der Mongolei aus. Es ist
nicht die erste Auszeichnung für Dr. Wagner. Neben diversen Ehrenurkunden, Orden
und Medaillen erhielt er im Jahr 2004 die Freundschaftsmedaille aus der Hand von
Expräsident N. Bagabandi überreicht.
Im April 2006 läuft das Projekt, das 1998 startete, zum Bedauern der Mongolen
aus. Bis zum April 2007 wird es mit einem „Teilzeitberater" und geringeren
Mitteln zu Ende geführt. Wolf Wagner folgte in der Zwischenzeit einem Ruf als
Gesundheitsberater in die vom Tsunami am schwersten betroffene Region Banda Aceh
in Indonesien und wird nur noch sporadisch der Mongolei einen Besuch abstatten.
Die Projektaktivitäten umfassten fünf Aimags, 33 Sums (Landkreise) und drei
Hauptstadtbezirke mit 300 000 Einwohnern. Schwerpunkte der Arbeit waren
Familienplanung, Mutter- und Kind-Betreuung, Entwicklung und Vermittlung
moderner Methoden der HIV - und SDI - Aufklärung. Besonders stolz ist Wagner auf
den Erfolg des Gleichaltrigenbildungsprogramms (Schulpeereducationprogramm), das
an 52 Mittelschulen praktiziert wurde. Eine kanadische Studentin hat in ihrer
Diplomarbeit nachgewiesen, dass die am Programm beteiligten Kinder und
Jugendlichen über Sex und seine möglichen Gefahren besser informiert waren und
über ein entsprechend besseres Präventivverhalten verfügten.
Das Projekt „Verbesserung der Reproduktiven Gesundheit" leistete einen
erheblichen Beitrag zur Senkung der Müttersterblichkeit – sie lag in den
Projektregionen zehn Prozent unter dem nationalen Durchschnitt.
Am Erfolg des Projekts unmittelbar beteiligt waren sechs mongolische Fachberater
und natürlich auch die drei Verwaltungsangestellten.
Nicht nur seine mongolischen Kollegen und Partner werden Dr. Wagner, seinen
Kenntnisreichtum, seinen Humor und seine Ausstrahlung vermissen, auch in der
deutschen und internationalen Gemeinschaft von Ulaanbaatar wird er fehlen.
Sturm forderte acht Todesopfer
Vom 06. bis zum 08. April tobte über den
Aimags Khentii, Sukhbaatar und Dornod ein Sturm mit Windgeschwindigkeiten bis zu
28 m/s. Acht Menschen erfroren, 40 Viehhalter waren zunächst vermisst, sie
konnten gerettet werden.
300 Herdentiere, die sich im Murun-Sum im Sturm verirrt haben, konnten bisher
nicht gefunden werden.
18. HIV-Infektion
Die Gesundheitsbehörden bestätigten den 18.
Fall einer HIV-Infektion in der Mongolei. Es handelt sich um eine alleinlebende
Frau.
30 Jahre Hochzeitspalast
Am 14. Juni dieses Jahres wird der
Hochzeitspalast in Ulaanbaatar 30 Jahre alt.
Seitdem wurden hier 29 658 Paare getraut.
Zur Feier des Jubiläums wird bis zum 01. August eine Tombola mit Gewinnen im
Wert von 30 Millionen Tugrug aufgelegt, jedes hochzeitswillige Paar kann
überdies mit Geschenken und anderen Überraschungen rechnen. Für dreißig junge
Paare aus armen Verhältnissen werden bis zum 01. August die Hochzeitszeremonien
kostenlos zelebriert werden.
Mongole wurde Weltmeister im Kickboxen
Der mongolische Kickboxer, G. Bat-Erdene,
hat in der Gewichtsklasse bis 66,7 Kilogramm die Goldmedaille bei den
Weltmeisterschaften der Kickboxer in Frankreich gewonnen.
Er bezwang keinen Geringeren als den 27jährigen Franzosen C. Castro, der von
seinen bisherigen 25 Profikämpfen 17 gewonnen hat, davon 15 durch technisches KO.
Bat-Erdene ist 24 Jahre alt und stammt aus dem Sukhbaatar-Aimag.
Wahrscheinlich zu Ehren des 800jährigen
Gründungsjubiläums ihres Staates haben die Mongolen ihre Fertigkeiten im
Autohupen weiter vervollkommnet
Autohupkonzerte sind ein täglich zu erlebendes Vergnügen für jeden
Ulaanbaatarresidenten.
Immer und überall ertönen die schrillen Hupgeräusche, langgezogen oder in kurzen
Intervallen: Sei es, um die Fußgänger zur Eile zu mahnen oder nur zu
erschrecken, sei es, um sich im innerstädtischen Stau bemerkbar zu machen.
Hallo, soll das wohl heißen, ich bin auch da. Im Verkehrsstau zu stehen, scheint
überhaupt etwas zu sein, was vielen ein unbändiges Vergnügen zu bereiten
scheint. Ausgewiesene Einbahnstraßen werden mit schöner Regelmäßigkeit als
solche ignoriert. Hupend und im Schritttempo geht es vorwärts, bis irgendwann
die beiden Autokolonnen zum Stehen kommen. Wehe den Mietern, unter deren Büro-
oder Wohnungsfenstern das geschieht.
Gern werden auch nachts säumige Rendezvouspartner durch andauerndes Hupen an die
Einhaltung ihres Versprechens gemahnt. Das fördert das gegenseitige Kennenlernen
der Nachbarn, vorzugsweise auf dem Balkon oder am Fenster, weil sie gemeinsam
neugierig warten, kommt der oder die Gerufene oder nicht?
An die glorreichen Zeiten eines Chinggis-Khaans denkt wohl jeder Mongole gern
zurück. Nur eines ist ihnen eine schreckliche Vorstellung: Pferde haben keine
Hupe. rb.
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Last Update: 04. Januar 2024