Gespräch mit dem Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Mongolei S. E. Stefan Duppel

Renate Bormann, Berlin, Ulaanbaatar


Botschafter Duppel in seinem Büro

 

 

 

Präsident Tsakhiagiin Elbegdorj hat es sich nicht nehmen lassen, Stefan Duppel und seine Frau Elena Alonso Frayle noch am Tag ihrer Ankunft in Ulaanbaatar am 20. Juli 2016 zu empfangen und das Beglaubigungsschreiben des neuen Botschafters der Bundesrepublik in der Mongolei entgegen zu nehmen.
Auch ein Ausdruck der Wertschätzung für Deutschland als den wichtigsten Partner der Mongolei in der Europäischen Union.

Fast genau ein Jahr nach seiner Akkreditierung und trotz eines dicht gedrängten Terminplans hat sich Botschafter Duppel die Zeit genommen, MongoleiOnline einige Fragen zum Leben und Arbeiten in der Mongolei, seine Erwartungen und Vorhaben zu beantworten.

Stefan Duppel stammt aus der kleinen schwäbischen Universitätsstadt Tübingen, einer Stadt, in der Wissensdurst und Weltoffenheit zum Alltag gehören.
„Das hat mich geprägt und früh in mir den Wunsch entstehen lassen, in die weite Welt zu ziehen, andere Kulturen und Landschaften kennenzulernen, ohne jedoch meine Heimat aus den Augen und dem Sinn zu verlieren. Nach einem Schüleraustausch in den USA stand mein Wunsch fest: Ich möchte im Ausland arbeiten".

Einem Studium der Rechtswissenschaften folgte die Attaché-Ausbildung, Tätigkeiten im Referat für Wirtschaftsbeziehungen mit Osteuropa im Auswärtigen Amt, ein Einsatz in der Politischen Abteilung der Botschaft in Madrid (Spanien), ehe Stefan Duppel als Referent im Büro des Beauftragten für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe sein Wissen und seine Erfahrungen in Krisenländern wie Liberia, Osttimor oder Guatemala zur Verfügung stellte.
Nächste Stationen in seinem Berufsleben waren der Posten als Kulturattaché an der Botschaft in Buenos Aires (Argentinien) und als Ständiger Vertreter und Leiter des Wirtschaftsreferats an der Botschaft in Bangkok (Thailand).
Von 2011 bis 2015 leitete er das Büro des Bundespräsidenten a. D. Dr. Richard von Weizsäcker und von 2015 bis 2016 das Referat für das Goethe-Institut und das Institut für Auslandsbeziehungen im Auswärtigen Amt.

„Ja, die Mongolei stand auf der Liste der Wunschländer für meinen Einsatzort als Botschafter für Deutschland weit oben. Meine Frau und ich freuten uns sehr, dass dieser Wunsch in Erfüllung gegangen ist.
Die Mongolei ist geopolitisch ein wichtiges Land, aufgrund seines Rohstoffreichtums wirtschaftlich interessant und für Deutschland ein wichtiger Partner. So viele vertrauensvolle Partner gibt es nicht in dieser Region! Außerdem ist das Land zwischen Sibirien und der Großen Chinesischen Mauer kulturell und landschaftlich von großem Reiz.

Wir schätzen die Offenheit und Aufgeschlossenheit der Menschen hier. Von Anfang an haben wir uns nicht fremd gefühlt. Das unterscheidet die Mongolei auch von anderen Staaten in Asien.
Gegenüber unserem letzten Auslandsposten in Bangkok gibt es noch einen weiteren signifikanten Unterschied: Bangkok ist die wärmste Hauptstadt der Welt, Ulaanbaatar die kälteste…

Die besonderen Beziehungen zu Deutschland drücken sich aus in einer großen Vielfalt an Aktivitäten zwischen beiden Staaten, aber auch zwischen den Menschen.
Das Spektrum reicht von der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit über das bilaterale Rohstoff- und Technologieabkommen, von der Arbeit der politischen Stiftungen zur Modernisierung von Justiz und im Mediensektor über die gemeinsame Bewahrung des kulturellen Erbes der Mongolei, von umfangreichen Bildungsprojekten (Kindergärten, Schulen, beruflicher Bildung, akademischer Austausch) bis zu Kulturprogrammen, etwa des Goethe-Instituts, von zivilgesellschaftlichem Engagement im medizinischen und Sportbereich bis zu den lebendigen Städtepartnerschaften.
Mein Ziel ist es, das bisher Erreichte in den Beziehungen beider Länder fortzuführen und – wo immer möglich - auszubauen.

Vorrangiges Ziel der letzten Monate war es, durch internationale Unterstützung die drohende Zahlungsunfähigkeit der Mongolei abzuwenden.
Die Vereinbarung mit dem IWF und die daran geknüpften weiteren internationalen Hilfszusagen im Gesamtumfang von 5,5 Mrd USD (das entspricht etwa 50% der Wirtschaftsleistung des Landes) sollten dafür sorgen, dass sich die Wirtschafts- und Finanzlage stabilisiert.
Deutschland hat die Mongolei auf diesem Weg immer unterstützt und wird dies auch weiterhin tun. Ich konnte umgekehrt erreichen, dass die Mongolei Altschulden gegenüber deutschen Unternehmen tilgt – das ist ein positives Zeichen für Investoren und den deutsch-mongolischen Wirtschaftsaustausch insgesamt.

Wichtig ist jetzt, dass die mongolische Regierung weise mit den Geldern umgeht und ihr angekündigtes Reformprogramm stringent umsetzt.
Darüber hinaus müssen bestehende Probleme wie die Korruption nicht nur verbal thematisiert, sondern durch die Umsetzung konkreter Maßnahmen bekämpft werden.
Deutschland ist auch in diesem Bereich aktiv und wird sein Engagement weiter verstärken.

Trotz aktueller Probleme, ein Grundoptimismus ist nicht fehl am Platz. Das Potential des Landes bleibt groß.
Die Mongolen haben die Hoffnung auf wirtschaftliche Verbesserungen nicht aufgegeben und in den letzten Jahren sichtbar eine Menge erreicht.
So hat sich das Land gemessen am Human Development Index der Vereinten Nationen in den letzten 15 Jahren sehr positiv und völlig analog zu dem – von vielen ob seiner wirtschaftlichen Erfolge bewunderten – südlichen Nachbarn China entwickelt.

Neben dem wirtschaftlichen Krisenmanagement beschäftigten mich in den letzten Monaten insbesondere auch die Folgewirkungen der Krise auf die bilaterale Zusammenarbeit.
Dabei gelang es unter anderem, trotz der finanziellen Schwierigkeiten der Mongolei, die Kooperation in sicherheitspolitischen Fragen zu erneuern.
Insbesondere werden auch in Zukunft deutsche und mongolische Soldaten Seite an Seite in Afghanistan kämpfen.

Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit gelang es, die deutsche Unterstützung für die Mongolei nochmals aufzustocken.
Obwohl die Mongolei als „middle income country" gilt, erhält sie damit pro Kopf mehr deutsche Entwicklungsgelder als jedes andere Land der Welt!

Wichtig war es in diesem Zusammenhang, ein Leuchtturmprojekt der Kooperation, die Deutsch-Mongolische Hochschule für Rohstoffe und Technologie im Stadtbezirk Nalaikh, weiter zu unterstützen.
Die Mongolei konnte aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten ihre großzügigen, in den Boomjahren gemachten Zusagen nicht in vollem Umfang erfüllen.
Es gelang uns jedoch, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, wie diese Lücke mit zusätzlicher deutscher Förderung geschlossen werden konnte. Ich bin daher voller Hoffnung, dass das Projekt ein voller Erfolg wird.

Im Kulturaustausch konnten ein seit 9 Jahren bestehender „Stolperstein" aus dem Weg geräumt werden.
Die administrativen Hindernisse zur Registrierung des Verbindungsbüros des Goethe-Instituts in Ulan Bator konnten endlich überwunden werden.
Nunmehr ist der Weg frei, um aus dem Büro ein Vollinstitut zu machen, sodass Kulturarbeit und Sprachunterricht ausgebaut werden können.

Im Hinblick auf das Reisen in der Mongolei Land und Leute zu sehen ist aus meiner Sicht kein Selbstzweck, ich strebe daher auch nicht unbedingt danach, jeden Aimag, jeden Sum, in der Mongolei besucht zu haben. Aber es ist wichtig, das Land, in dem ich Deutschland vertrete, in seinen unterschiedlichen Facetten kennenzulernen. Ich nutze daher sich bietende Gelegenheiten, mein Gastland noch besser kennenzulernen.
Meine bisherigen Reisen führten mich nach Karakorum, Uliastai, in die Wüste Gobi und das Altaigebirge - historisch, kulturell und landschaftlich sehr reizvolle, ja spektakuläre Gegenden, die zudem wichtige Einblicke in Kultur und Gesellschaft ermöglichten.

Ich konnte bei meiner letzten Reise im Übrigen auch feststellen, dass der in Ulaanbaatar allgegenwärtige Wahlkampf um das Präsidentenamt von den Bürgern auf dem Land relativ gelassen verfolgt wird.
Man gewinnt den Eindruck, in den entlegeneren Landesteilen ist das politische Geschehen, der Streit um Posten und Einfluss, sehr weit weg vom Alltag der Menschen.

Auch unsere Söhne, beide Studenten, lassen sich selbstverständlich die Gelegenheit nicht entgehen, uns hier zu besuchen und sich die Mongolei näher anzusehen.
Wir erwarten sie in kommenden Semesterferien, und sie werden sich viel Zeit für die Menschen und die Natur nehmen.

Meine Frau, Elena Alonso Frayle, ist Schriftstellerin von Beruf und zugleich eine passionierte Sängerin. Sie hat hier in Ulan Bator das Glück, in beiden Bereichen sehr aktiv zu sein, das bietet sich nicht in jedem Land.
So hält sie nicht nur Vorlesungen über spanische Literatur an der Staatsuniversität, sie singt darüber hinaus im Chor der Staatsoper von Ulan Bator (und auch in einer Neujahrssendung im Fernsehen – worauf wir auf der Straße immer wieder angesprochen werden!) und betreut die Herausgabe einer Sammlung spanischer Literatur für einen mongolischen Verlag.
Zudem wird eines ihrer Bücher „Sängerknaben" (im Original: „Los niños cantores") gerade aus dem Spanischen ins Mongolische übersetzt.
Das Buch handelt von den Wiener Sängerknaben, die sich bei Ausbruch des 2. Weltkrieges auf Tournee in Australien befanden und dort interniert wurden.
Einen Roman über die Mongolei ist ebenfalls bereits geplant, angeregt durch Begegnungen mit Wissenschaftlern der Universität Bonn und dem Archäologen-Team in Karakorum.

In all ihren Romanen versucht meine Frau, Gegenwartsereignisse und ihren Bezug zur Vergangenheit künstlerisch zu verarbeiten. Ich bin schon sehr gespannt, was dies im Fall der Mongolei bedeutet."

Die Antwort auf die Frage, wie der Botschafter und seine Frau mit dem extremen Klima in der Mongolei, vor allem mit der Winterkälte, zurechtkommen, überrascht die Berichterstatterin dann doch:

„Wunderbar. 300 Sonnentage sind uns, auch meiner spanischen Frau, viele wichtiger als ein paar Grad Celsius mehr. Graue, trübe Tage sind für uns viel schwerer zu ertragen als die Kälte".

MO: Herr Botschafter, wir danken Ihnen für das informative, aufschlussreiche Gespräch und wünschen Ihnen und Ihrer Familie weiterhin eine spannende und erfolgreiche Zeit in der Mongolei.

Das Gespräch führte Renate Bormann am 26. Juni 2017 in Ulaanbaatar.

 

 

Fotos, wenn nichts anderes vermerkt, Renate Bormann


 

   

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