Die Deutsche Mongolei Agentur aus Ulaanbaatar präsentiert:

Von Phnom Penh nach Ulaanbaatar

von Dr. Renate Bormann
Ulaanbaatar, 23.05.08


Botschafter Pius Fischer. 23.05.08

Seit zehn Monaten ist Pius Fischer der oberste Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der Mongolei. In dieser Zeit erlebte er einen außerplanmäßigen Regierungswechsel, die Diskussionen um das neue Bergbaugesetz und die nicht immer sehr harmonischen Vorbereitungen der mongolischen politischen Parteien auf die Wahlen zur Großen Staatsversammlung am 29. Juni dieses Jahres.
Der Winter war so kalt, das Frühjahr so trocken und staubig wie seit Jahren nicht.
Über Mangel an Arbeit kann er wahrlich nicht klagen, zumal die Botschaft unterbesetzt ist. Erst im Sommer wird der neue Wirtschaftsreferent erwartet.
Neben den Routineaufgaben hat der Botschafter jede Menge Gesprächsanfragen und Einladungen zu kulturellen, politischen und wirtschaftspolitischen Veranstaltungen zu bewältigen.
In seiner knapp bemessenen Freizeit entspannt er sich gerne bei ausgedehnten Wanderungen in den Bergen um Ulaanbaatar.

Gespräch mit dem Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Mongolei, S. E. Pius Fischer

Herr Botschafter, bitte stellen Sie sich den Lesern von MongoleiOnline kurz selbst vor.
Was sind Ihre liebsten Freizeitbeschäftigungen?
Ich komme aus Bayern und der Nähe zu den Bergen verdanke ich meine Hobbys, Skifahren und Bergwandern.
An der TU München habe ich Mathematik studiert, für einen künftigen Diplomaten eher ungewöhnlich, danach ein wirtschaftswissenschaftliches Studium abgeschlossen und mich schließlich erfolgreich beim Auswärtigen Amt beworben.
Hier war ich nur zweimal direkt mit naturwissenschaftlichen bzw. technischen Fragen befasst. Einmal als Wissenschafts- und Technologiereferent in Los Angeles und zweitens als Referatsleiter für Informations-und Kommunikationstechnik im Auswärtigen Amt zu einer Zeit, als die Telextechnik auf moderne Kommunikationstechnologien umgestellt wurde. Von 1996 bis 2001, in einer politisch sehr unruhigen Zeit, war ich Botschafter in Conakry (Guinea). Nach Berlin zurückgekehrt, begann ich das Referat „Haushalts- und Personalfragen bei den Vereinte Nationen" zu leiten. Meinen nächsten Botschafterposten übernahm ich von 2004 bis 2007 in Phnom Penh in Kambodscha.
Seit Juli 2007 bin ich in Ulaanbaatar. Es war wirklich ein fliegender Wechsel. Ein wenig skeptisch ob des Klimas war ich schon. Bisher hatten mich meine beruflichen Wege stets in wärmere Gefilde geführt: Und nun in die kälteste Hauptstadt der Welt. Doch die Kälte ist gut zu ertragen. Im Dezember habe ich den Tsetsee Gun, den höchsten Gipfel im Bogdkhan-Gebirge, bestiegen. Dienstliche Missionen führten mich zum Eisfest nach Khuvsgul und zum Winterkamelpoloturnier nach Sainshand.

Haben Sie die Entscheidung für die Mongolei bewusst getroffen?
Ihre Eindrücke vom Land, von den Mongolen? Was hat Sie überrascht?
Ostasien gehörte schon zu meiner Präferenzregion.
Vor allem der wirtschaftliche Aufstieg Chinas hat die weltweiten Gleichgewichte verschoben und für mich ist es sehr interessant, diese Veränderungen aus der Nähe, sozusagen aus mongolischer Perspektive, mitzuerleben. Es gibt ja auch hier einen sehr intensiven Kontakt mit Peking. Überraschend fand ich die kulturelle Nähe zu Europa: Die Mongolei gehört zwar zu Nordostasien, aber in ihrem Denken, ihrem Habitus und in ihrer Mentalität scheinen mir die Mongolen doch sehr europäisch geprägt.
Landschaftlich fand ich natürlich die ungeheure Weite des Landes sehr beeindruckend. Ich glaube, das ist für jeden Neuankömmling das Auffallende.

Welche Unterschiede, welche Gemeinsamkeiten sehen Sie zwischen Kambodscha und der Mongolei?
Die Bewohner beider Länder sind Anhänger des Buddhismus. Die Kambodschaner allerdings Anhänger des Hinayana-, die Mongolen des Mahayana-Buddhismus, des von Tibet geprägten Lamaismus.
Beide Völker haben politische Repressionen mit weitreichenden Folgen durchlitten. Die Mongolen in den 30-er Jahren, die Kambodschaner in den 70-er Jahren des vorigen Jahrhunderts und sowohl die Mongolei als auch Kambodscha sind Transformationsländer.
Wobei die Demokratie in der Mongolei erstaunlich lebendig und stabil ist. Mehrere Wahlen haben jeweils zu einem Regierungswechsel geführt. In Kambodscha ist seit 20 Jahren dieselbe Person Premierminister.

Welche Bedeutung hat die Mongolei für die deutsche Außenpolitik?
Die traditionell guten Beziehungen zwischen der Mongolei und der DDR wurden nach der politischen und wirtschaftlichen Transformation Anfang der 90-er Jahre vom wiedervereinigten Deutschland fortgeführt.
Die Bedeutung der Mongolei hängt auch mit ihrer geografischen Lage zwischen Russland und China zusammen. Außerdem bietet ihr Rohstoffreichtum – die Mongolei ist eines der 10 rohstoffreichsten Länder der Welt – gute Voraussetzungen für die Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Ein wichtiges Kapital für die deutsch-mongolische Zusammenarbeit sind vor allem die etwa 30 000 Deutsch sprechenden Mongolen. Das sind im Vergleich so viele wie in keinem anderen Land Asiens. Wir haben großes Interesse, diese Verbindungen weiter auszubauen.

Welche gemeinsamen Interessen verbinden Deutschland und die Mongolei?
Dies sind wirtschaftliche und politische Interessen, aber auch die entwicklungspolitische Zusammenarbeit und der kulturelle Austausch. Auch innerhalb der Vereinten Nationen stimmen wir uns in vielen Fragen ab.
Seit dem vergangenen Jahr gehört die Mongolei zu den Mitgliedsstaaten des ASEM (Asia Europe Meeting) und nahm auf Außenministerebene im Mai 2007 am großen ASEM-Treffen in Hamburg teil, zu dem Außenminister Steinmeier als Ratsvorsitzender der EU eingeladen hatte. Auch finanziell engagieren wir uns im Übrigen: Deutschland ist nach Japan der größte bilaterale Geber für die Mongolei und leistet erhebliche Beiträge für die Haushalte der multilateralen Geber WB, ADB, EU, IWF und UNO.

Gibt es nichts Kritisches zu den deutsch-mongolischen Beziehungen anzumerken?
Im bilateralen Verhältnis gibt es tatsächlich kaum Anlass zur Kritik. Allgemein könnte die mangelnde Stabilität der politischen Rahmenbedingungen für die Wirtschaftskooperation genannt werden. Unruhe unter den ausländischen Partnern und Investoren haben das immer noch nicht beschlossene novellierte Bergbaugesetz sowie die überraschende Einführung einer Sondergewinnsteuer auf Bergbauprodukte hervorgerufen. Sind das Anzeichen für die neuerliche Hinwendung zu einer eher staatsgelenkten Wirtschaft, für die Einführung konfiskatorischer Steuern?
Problematisch ist auch die weit verbreitete Korruption. Ermutigende Ansätze sind hier die Bildung einer Antikorruptionskommission und Erfolge der Ermittlungsbehörden, die zu ersten Verurteilungen geführt haben. Mitunter gibt es auch Zweifel an der Vertragstreue, auch wenn es um die Durchsetzung von Forderungen deutscher Finanzierungsinstitute geht. Hier gilt es, weitere Fortschritte zu machen. Aus meiner Sicht liegt eine verlässliche und investitionsfreundliche Wirtschaftsumgebung ebenso im Interesse der Mongolei wie im Interesse der Wirtschaft.

Hat sich die umfassende Partnerschaft zwischen unseren beiden Ländern bewährt?
In jedem Fall. Im vergangenen Jahr trafen sich beide Seiten zuletzt zu außen- und wirtschaftspolitischen Konsultationen. Auch im Bereich der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik finden regelmäßig Stabsgespräche statt. Zehn mongolische Offiziere und Unteroffiziere werden jährlich zur Weiterbildung nach Deutschland entsandt.
Im George Marshall Center der NATO in Garmisch-Partenkirchen führen wir gemeinsame Seminare zu außen- und sicherheitspolitischen Fragen durch. Der deutsche Beitrag zur technischen und finanziellen Entwicklungszusammenarbeit kann sich ebenfalls sehen lassen: Allein für die Jahre 2008/09 wurden der Mongolei rund 23 Millionen Euro zugesagt.
Wir wollen vor allem gemeinsam in die Zukunft blicken und unsere Gesellschaften noch enger miteinander verbinden: Im Januar dieses Jahres eröffnete das Goethe-Institut ein Verbindungsbüro, seit 2007 arbeitet eine Filiale des Deutschen Archäologischen Instituts in Ulaanbaatar. Deutsche lehren an Schulen und Hochschuleinrichtungen in der Mongolei, 1 300 Mongolen und Mongolinnen studieren in Deutschland. Der DAAD vergibt jährlich auch Stipendien für junge Mongolen. Politische und wissenschaftliche Stiftungen – Konrad-Adenauer-Stiftung, Hans-Seidel-Stiftung, Friedrich-Ebert-Stiftung, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung vergeben ebenfalls Stipendien für deutsche Universitäten, Hoch- und Fachschuleinrichtungen. Wir freuen uns sehr über junge leistungsfähige Mongolen, die in Deutschland studieren und forschen.

Deutschland steht ganz weit vorne im Hinblick auf die EZ mit der Mongolei. Andererseits wünschen sich die Mongolen mehr deutsche Direktinvestitionen.
Wie schätzen Sie die Perspektiven der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern ein?
Ich sehe durchaus positive Entwicklungsmöglichkeiten. Im vergangenen Jahr besuchte mit Michael Glos erstmals ein deutscher Wirtschaftsminister die Mongolei, begleitet wurde er von hochrangigen Unternehmensführern. Im August wird erneut eine deutsche Wirtschaftsdelegation das Land besuchen.
Die Mongolei scheint in der deutschen Wirtschaft bisher einfach zu wenig bekannt zu sein. Deutsche Firmen sind in erster Linie auf die großen Märkte Ostasiens konzentriert. Ich wünschte mir, die Mongolei stünde mehr im Focus des wirtschaftlichen Interesses.
Gute Ansätze gibt es. Große Firmen, wie Siemens, Liebherr und Mercedes sind mit Bergbautechnik, Dieselgeneratoren, Fahrzeugen und Regelungstechnologien auf dem hiesigen Markt präsent. Aber auch der Exportweltmeister Deutschland hat weiteres Entwicklungspotenzial. Die Mongolei ist ein Beispiel.

Wie verläuft die Zusammenarbeit mit den internationalen Organisationen und den deutschen EZ-Einrichtungen in der Mongolei?
Schwierigkeiten oder Hindernisse gibt es überall, aber Verbesserungsmöglichkeiten ebenso. Die regelmäßigen Treffen mit den mongolischen Partnern und den UNDP-Repräsentanten haben sich positiv auf die Koordinierung der Geberleistungen ausgewirkt. Das trifft auch für die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedsstaaten zu.
Die deutsche EZ-Koordinierungsrunde in der deutschen Botschaft bietet den Mitarbeitern der verschiedenen Entwicklungshilfeeinrichtungen (GTZ, KfW, DED, CIM, SES, InWent u. a.) gute Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch.

Anfang September wird dem Vernehmen nach Bundespräsident Horst Köhler der Mongolei einen offiziellen Staatsbesuch abstatten.
Wollen Sie uns schon etwas über den geplanten Besuch verraten?
Sie haben interessante Quellen! Ein Besuch des Bundespräsidenten wäre eine großartige Gelegenheit, die deutsch-mongolische Freundschaft weiter zu festigen. Ich weiß vom großen Interesse des Bundespräsidenten an der Mongolei (schmunzelt).

Herr Botschafter, wir danken Ihnen für das Gespräch.


   

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