Bundespräsident Roman Herzog in der Mongolei

Staatsbesuch in der Mongolei

Staatsbankett in Ulaanbaatar

Bundespräsident Roman H e r z o g hielt anläßlich eines Staatsbanketts, gegeben von dem Präsidenten der Mongolei, Natsagiin Bagabandi, am 20. September 1998 in Ulaanbaatar folgende Rede:

Herr Präsident,

meine Damen und Herren,

ich danke Ihnen für die herzliche Aufnahme, die ich in Ihrem Land gefunden habe. Sie haben mir die warmherzige Gastfreundschaft der Mongolen gewährt, für die Ihr Land in der Weit zu Recht berühmt ist.

Gewiß auch ans diesem Grunde haben deutsche Forscher und Reisende Ihr Land gern und häufig besucht. Die Weite und Schönheit der Landschaft, die besondere Lebensform des mongolischen Volkes und, nicht zuletzt, seine historischen und kulturellen Leistungen übten auf viele meiner Landsleute eine besondere Faszination aus, und sie tun dies auch noch heute.

Die Kunde von der Mongolei wurde in Deutschland bereits vor 700 Jahren - noch bevor es zu kriegerischen Auseinandersetzungen kam - durch den Mönch Cäsarius von Heisterbach vermittelt. Seine Berichte wurden im 19. Jahrhundert zu einer Quelle der Inspiration für die Gebrüder Grimm und andere deutsche Literaten. In unserem Jahrhundert war es dann der Gelehrte Ernst Haenisch, der die "Geheime Geschichte der Mongolen" ins Deutsche übersetzte und so das Wissen über Dschingis Khan und sein Volk einer breiten deutschen Leserschaft nahebrachte.

Umgekehrt trugen zahlreiche mongolische Schüler und Studenten, die in der früheren DDR studiert hatten und dorthin bis heute vielfältige persönliche Beziehungen unterhalten, zu einem umfangreichen Wissen über Deutschland in der Mongolei bei. Heute sprechen oder verstehen rund 20000 Mongolen Deutsch, eine erstaunlich große Zahl und eine gute Basis für künftige Zusammenarbeit.

Die Faszination und Verbundenheit zwischen Mongolen und Deutschen rechtfertigen es, von ganz besonderen Beziehungen zwischen unseren Ländern zu sprechen. Wir sind Freunde, die sich zwar geographisch fern, aber in den Herzen doch nahe sind. Wir werden uns bemühen, diese besonderen Beziehungen auch in Zukunft zu pflegen und auszubauen. Uns kommt dabei zugute, daß beide Länder über- vergleichbare Erfahrungen aus der Vergangenheit verfügen und auf dieser Grundlage gemeinsame Strategien zur Lösung von Zukunftsaufgaben entwickeln können.

Wenn ich von vergleichbaren Erfahrungen spreche, beziehe ich mich in erster Linie auf die schwierigen Reformprozesse in unseren beiden Ländern, die durch die weltpolitischen Veränderungen der letzten zehn Jahre ausgelöst wurden. Deutsche wie Mongolen haben zunächst und vor allem durch diese Veränderungen profitiert - das sollte tief im historischen Gedächtnis unserer Völker verankert werden: Wir Deutsche einreichten die friedliche Wiedervereinigung unserer Nation; das mongolische Volk gewann seine volle Unabhängigkeit.

Natürlich brachte und bringt der Prozeß des Umbruchs auch Belastungen mit sich: Vertraute Strukturen sind entfallen, staatlich garantierte Geborgenheit und Sicherheit gibt es nicht mehr, und den Menschen werden große Anstrengungen abverlangt. Wir Deutschen wissen das aus eigener, oft schmerzvoller Erfahrung.

Um so größere Anerkennung und Bewunderung hat es bei uns gefunden, wie entschlossen Ihr Land sich von der ideologischen Bevormundung befreite und zu seiner kulturellen Tradition zurückfand, welchen Mutes bei der Durchführung tiefgreifender politischer und wirtschaftlicher Reformen zeigte. Dieser Mut und die Standhaftigkeit, einen als richtig erkannten Weg bis zum Ende zu gehen, sind wichtige Voraussetzungen für das Gelingen jeder Reform.

Aus eigener leidvoller Erfahrung wissen wir, daß insbesondere die Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist, sondern der Pflege, der Selbstdisziplin und des Augenmaßes bedarf. Wir alle können uns glücklich schätzen, heute in Staaten leben zu können, in denen eine aktive Partizipation der Bevölkerung gesichert ist und in denen Rechtsstaatlichkeit als hohes Gut geschätzt wird.

Neben der Demokratie war ein zweites Element für den erfolgreichen Verlauf des Reformprozesses entscheidend: das Bekenntnis zu einer - trotz mancher Härten notwendigen Politik der konsequenten Hinwendung zur Marktwirtschaft und zur Vorbereitung auf die globalen Märkte von morgen. Auch bei uns waren die Veränderungen, die nach dein Zusammenbruch der DDR erforderlich wurden, mit Schwierigkeiten verbunden, die bis heute nicht völlig gelöst werden konnten. Letztendlich waren diese Reformen aber unumgänglich. In einer Welt, in der Flexibilität und Lernbereitschaft zunehmend über Erfolg und Mißerfolg entscheiden, gibt es keine Alternative dazu.

Ihr Land hat es verstanden, durch Förderung der unternehmerischen Initiative, durch Stärkung der Rechtssicherheit und durch Nutzung wirtschaftlichen Sachverstandes die Voraussetzungen für ein investitionsfreundliches Klima zu schaffen, das bereits beginnt, die ihm innewohnende Eigendynamik zu entfalten. Beweis für den Erfolg dieser Politik ist nicht zuletzt das Vertrauen der deutschen Wirtschaft in die Zukunft der Mongolei, das sich auch in der Größe der deutschen Unternehmerdelegation zeigt, die mich hierher begleitet hat, um an Exportförderungs- und Tourismusseminaren teilzunehmen.

Deutschland ist sich bewußt, daß die Mongolen bei ihrer wirtschaftlichen Entwicklung der Unterstützung ihrer Freunde bedürfen. Entwicklungszusammenarbeit war und ist deshalb ,.ein vorrangiges Ziel unserer Politik. In Zeiten knapper werdender Mittel haben wir unsere Zusagen gegenüber der Mongolei sogar noch erhöht. Bei einigen wichtigen Projekten, die ich während meines Besuchs besichtigen werde, zum Beispiel im Rechtswesen, tritt der deutsche Staat bei der Durchführung in den Hintergrund. Das ist gut so: Die Mittlerorganisationen und Stiftungen, die hier exemplarische Arbeit leisten, beweisen, daß die deutsch-mongolische Zusammenarbeit und Freundschaft eine breitere Basis hat als die staatliche und daß manches auch besser geht, wenn der Staat sich ein Stück weit zurücknimmt.

Ein drittes Gebiet, auf dem Deutschland und die Mongolei parallele Erfahrungen gemacht haben, ist die Außenpolitik: Ihr Land hat sich für den auch in Europa erfolgreichen Weg des regionalen Ausgleichs, der guten Nachbarschaft und der internationalen Zusammenarbeit entschieden. In der Tat glauben wir, daß die internationale Zusammenarbeit und die wachsende Verflechtung von Staaten wichtige Elemente der Vertrauensbildung und damit der Sicherheitspolitik sind. Mit großem Nachdruck setzt sich die Mongolei wie Deutschland für die Nichtverbreitung von nuklearen Waffen ein. Sie hat auch hier eine Vorbildfunktion für andere Länder übernommen.

Zuletzt: Was wäre das deutsch-mongolische Verhältnis ohne die kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit und die damit einhergehenden menschlichen Kontakte? Gerade hier findet eine enge Freundschaft oft auch ihren ganz besonderen Ausdruck. Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist unser gemeinsames Vorhaben, Karakorum, die erste Hauptstadt des mongolischen Weltreichs im 13. Jahrhundert, auszugraben.

Der Name dieser ruhmreichen Stadt hat auch in Europa einen ganz besonderen Klang. Für mich ist der Abschluß der Vereinbarung zwischen der Mongolischen Akademie der Wissenschaften, dem Deutschen Archäologischen Institut und der Universität Bonn über die Ausgrabungsarbeiten daher ein Höhepunkt meines Besuchs und ein Symbol der deutsch-mongolischen Freundschaft.

Lassen Sie mich mein Glas erheben auf diese Freundschaft, Herr Präsident, auf Ihr persönliches Wohl und auf das Wohl des großen mongolischen Volkes, das sich selbst als das Volk des azurblauen Himmels bezeichnet. Ich wünsche der Mongolei für die Zukunft Glück und Erfolg. Trinken wir auf die Freundschaft zwischen unseren Völkern!

 

Eröffnung des deutsch-mongolischen Wirtschaftsforums

Bundespräsident Roman H e r z o g hielt zur Eröffnung des deutsch-mongolischen Wirtschaftsforums am 21. September 1998 in Ulaanbaatar folgende Ansprache:

Meine Damen und Herren,

ich freue mich, daß ich Sie heute zur Eröffnung des deutsch-mongolischen Wirtschaftsforums begrüßen kann, und ich freue mich, daß Sie der Einladung, aus Anlaß meines Staatsbesuchs diese Veranstaltung durchzufahren, so zahlreich gefolgt sind. Freilich hätte ich das auch gar nicht anders erwartet angesichts der hervorragenden deutsch-mongolischen Beziehungen, die bis in die Zeit der ehemaligen DDR und darüber hinaus bis in die zwanziger Jahre zurückgehen.

Die Mongolei hat 1990, so entschlossen wie kaum ein anderer Staat aus dem Einflußbereich der früheren Sowjetunion, die demokratische und wirtschaftliche Transformation vollzogen. Sie ist an diese schwierige Aufgabe mit großem Mut herangegangen. Die Fehler von fünfundsiebzig Jahren Kommandowirtschaft lassen sich schließlich nicht in kurzer Zeit vergessen machen.

Dennoch war es der richtige Schritt. Der Sieg der Demokratie und der Marktwirtschaft in der Mongolei steht in eine Linie mit dem Siegeszug der Demokratie, der schon in den siebziger Jahren Südeuropa, seit Mitte der achtziger Jahre Asien und Lateinamerika und seit 1989 auch den Machtbereich der Sowjetunion erfaßt hat.

Für den Sieg der offenen demokratischen Gesellschaft und der Marktwirtschaft gibt es einen gemeinsamen Grund, nämlich die Attraktivität des Wettbewerbs der Ideen: In der Demokratie geht es um die Suche nach der besten Lösung politischer Probleme, in der Marktwirtschaft um die Erzeugung der besten Produkte zu niedrigsten Preisen.

Eine offene und marktwirtschaftlich orientierte Gesellschaft garantiert keine krisenfreie Entwicklung. Die periodisch erforderlichen Anpassungsprozesse können schmerzhaft sein, wir sehen das im östlichen Teil Deutschlands, aber auch in osteuropäischen und ostasiatischen Ländern. Ein Transformationsprozeß wie der in der Mongolei braucht deshalb Unterstützung, und zwar auf staatlicher und privatwirtschaftlicher Ebene. Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Mongolei hat auf staatlicher Ebene bereits ein hohes Niveau erreicht. Wenn man sie auf die Zahl der Bevölkerung bezieht, dürfte sie weltweit zu den höchsten gehören.

Der privatwirtschaftliche Bereich scheint mir noch ausbaubar zu sein. Die traditionellen Verbindungen der deutschen Wirtschaft zur Mongolei - mit ihren persönlichen Kontakten und den umfangreichen deutschen Sprachkenntnissen auf mongolischer Seite - sind ein Vorteil, der für die konkrete wirtschaftliche Zusammenarbeit genutzt werden muß. Es sind viele Unternehmer aus den östlichen Ländern Deutschlands hier im Saal.' Ich bin optimistisch, daß ihr wichtiges Erfahrungspotential dem Handel mit der Mongolei und dem Ausbau unserer Wirtschaftsbeziehungen sehr nützlich sein kann. Ich wünsche Ihnen, meine Damen und Herren, erfolgreiche Gespräche und der Mongolei eine blühende wirtschaftliche Entwicklung.


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