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"Mich schickte der Himmel" - Dschingiskhan heute

von Dondog Batjargal

Seit der großen Demonstration in Ulaanbaatar - am 10. Dezember 1989, die seitdem als "Tag der Demokratie" gefeiert wird, ist einer wahrer Dschingiskhan-Kult in der Mongolei ausgebrochen. Gleichzeitig sind die jungen mongolischen Kämpfer auch schon wieder massenhaft bis nach Europa (zum Studieren) und nach Südostasien (zum Arbeiten) ausgeschwärmt - diesmal jedoch auf eigene Rechnung. In der F.R. sprach mein Kollege Höge in diesem Zusammenhang neulich von einem "Dschingiskhanismus auf privater Basis". Flankiert wird dieser in der Mongolei  mit immer neuen Denkmälern für den im Jahre 1227 allzu früh Verstorbenen.

Am 3.Mai 2002 wurde im Nationalen Freizeit- und Erholungszentrum in Ulaanbaatar der Grundstein für ein großes Dschingiskhan-Monument gelegt. Nach den Reden verschiedener Regierungsvertreter enthüllten zwei Armeeoffiziere die Inschrift: "An dieser Stelle wird die Gedenkstätte des genialen und heiligen Dschingiskhan emporragen". Zuvor hatte man bereits in dem einer Jurte nachgebauten staatlichen Gästeempfangshaus eine überlebensgroße Dschingiskhan-Skulptur aufgestellt und die Lenin-Allee in Dschingiskhan-Allee umbenannt, außerdem heißt der Airbus
zwischen Ulaanbataar und Berlin "Dschingiskhan", und sein Bild ziert Geldscheine und Briefmarken.

Die diesbezüglichen Privatinitiativen stehen dem nicht nach und sind noch zahlreicher: Seit 1992 gibt es eine inzwischen berühmte mongolische Band namens Dschingiskhan (Davor hieß eine deutsche Band so, die in der Mongolei sehr beliebt war). Die Wochenzeitung "Mongol Messenger" ermittelte im vergangenen Jahr, dass als der beste Wodka im Land der "Dschingiskahn-Wodka" gilt, als bestes Bier vom Faß das "Dschingis-Bier", als beste Bar in der Hauptstadt die "Dschingiskhan-Bar" und als bestes Hotel das dortige "Dschingiskhan-Hotel". Auch im fernen Seoul sowie in Berlin gibt es seit einigen Jahren mongolische  Restaurants namens "Dschingis".

In der Inneren Mongolei wurde 1991 der russische Film "Urga" von Nikita Michailkow gedreht - in ihm kommt ebenfalls Dschingiskhan vor - jedoch nur noch im Traum und im Fernsehen. Nachdem ich 1998 vom mongolischen Kulturminister einen Orden für mein journalistisches Privatprojekt - eine Jugendzeitung namens "Super"- bekommen hatte, erklärte ich in einem Interview, in dem es um unsere heutige Regierung ging,  dass die neuen demokratischen  Politiker der Mongolei sich ein Beispiel an Dschingiskhan nehmen sollten. Dabei dachte ich  nicht an die kriegerische Außenpolitik des Großen Khan, sondern an dessen auf Frieden, Handelssicherheit  und Einheit ausgerichtetes Wirken im Inneren der von ihm erstmalig vereinigten Mongolei. Im 17.Jahrhundert wirkte das Land zudem als ein Bollwerk für Europa: Damals versuchten mandschurische Armeen die Mongolei zu überrennen, aber nach Einnahme der Ost- und der Westmongolei (Oirat genannt) gelang es den bewaffneten mongolischen Reitern, ähnlich wie später den Russen bei Stalingrad, sie zu zurück zu werfen. "Die Westmongolei hat eine große Rolle bei der Rettung der europäische Kultur und Zivilisation gespielt," bemerkte bereits Karl Marx im "Kapital".

Zu Zeiten der Sowjetunion bemühte man sich, die Dschingiskhan-Verehrung in der Mongolei  durch eine Verehrung des 1923 ermordeten mongolischen Revolutionärs Sukhbaatar zu ersetzen. Erst in der Perestroika-Zeit durfte man sich wieder mit dem Gründer des einstigen mongolischen Weltreichs beschäftigen. 1986 entstand der Film "Die Mandukhai-Königin", er handelt von einer Nachfolgerin Dschingiskhans im 15. Jahrhundert - der ersten und letzten Frau auf dem mongolischen Thron. 1988 drehte der selbe Regisseur, Baljinnyam, einen Film - "Durch die Kräfte des ewigen Himmels" - über das Leben und Wirken Dschingiskhans. Im Jahre 2001 begann die Arbeit an einem neuen  Dschingiskhanfilm an - diesmal in den USA. Zunächst sagte der Regisseur Steven Segal jedoch alle Termine in der Mongolei ab, nachdem das World-Trade-Center am 11.9. von Flugzeugentführern zerstört worden war. Stattdessen lud er die mongolischen Team-Mitglieder nach Hollywood ein. U.a. soll eine der vier Frauen Dschingiskhans von einem jungen mongolischen Top-Model  gespielt werden. Sein Interesse am Thema Dschingiskhan hänge nicht zuletzt mit seinem Hang zum Buddhismus zusammen, verriet der US-Regisseur kürzlich der mongolischen Zeitung "Seruuleg" (Wecker).

Seit der mongolischen Wende 1989/90  erscheinen regelmäßig auch neue Bücher über den mongolischen Staatsgründer und demnächst wird es sogar eine eigene Dschingiskhan-Forschungsstätte nebst -Museum in Ulaanbaatar geben. Außerdem verfügte der Staatspräsident N. Bagabandi 1999, dass sämtliche ausländischen Publikationen über Dschingiskhan ins Mongolische übersetzt werden sollen.

Der berühmteste und gefürchtetste aller Mongolen wurde im Jahr 1162 in der Ostmongolei am Fuß des Gebirges Hentii beim Fluß Onon  geboren. Nahe der festen Siedlung Delunnboldog befindet sich seit 1999  eine Gedenkstätte für ihn. Vielen mongolischen Historikern gilt Dschingiskhan  heute als ein "self made man", der mutig seinen Weg ging bzw. ritt. Schon als Kind war er ein ausgezeichneter Reiter und Bogenschütze.  Er scheint jedoch auch  sehr jähzornig und rachsüchtig gewesen zu sein: Als sich z.B. Tangad im Jahr 1220 weigerte, mit ihm im Bündnis Horesm zu bekämpfen, nachdem die Horesmer 1500 mongolische Kamelkarawanen samt 100 sie begleitende Kuriere des Khan ermordet hatten, zog er zunächst mit seinen Reiterarmeen alleine gegen den Feind und vernichtete ihn. Anschließend ermahnte er sich jeden Morgen vor dem Hausaltar, nicht zu vergessen - "Tangad lebt noch immer!" Es wurde 1227 erobert. Nicht alle Völker und Städte wollte Dschingiskhan gleich unterjochen, mit einigen nahm er nur diplomatische Beziehungen auf. Wenn diese ihn jedoch enttäuschten, dann war seine Rache fürchterlich.  Dabei wurden oft auch Nichtkombattanten getötet: So ließ er z.B. nach einem Sieg über die Tataren, die seinen Vater umgebracht hatten, allen Gefangenen, die größer als Troßräder waren (1 Meter 20) den Kopf abgeschlagen.

Dschingiskhan gilt inzwischen auch als der Erfinder des "Blitzkriegs": in Mittelasien überrannten seine Truppen den Iran, Teile des Irak, Afghanistan und den Norden Indiens; im Süden und Südosten China, Burma, Vietnam, Korea und sogar Java. Die Eroberung Japans, zusammen mit den Koreanern, die alleine 500 Schiffe bemannen mußten, scheiterte jedoch - zuerst an den mangelnden nautischen Erfahrungen der Mongolen und dann an einem Taifun. Nach Westen hin gerieten nach und nach Sibirien, Moskau, Kiew, Polen und  Ungarn unter die Herrschaft Dschingiskhans und seiner Nachfolger. Erst 300 Jahre später zerfiel das mongolische Imperium, das größte der Welt,  langsam wieder.

Während der Ming-Dynastie im 17.Jahrhundert eroberten die Chinesen die Mongolei. Der Zerfall des Kernsiedlungsgebiets in Innere und Äußere Mongolei begann bereits im 16.Jahrhundert. Im Jahr 1911 revoltierte die Äußere Mongolei gegen die mandschurische Besatzung und wurde autonom, 1921 geriet sie nach einer weiteren Revolte (gegen chinesische  Truppen und konterrevolutionäre Kosaken) unter sowjetischen Einfluß. Die Innere Mongolei ist bis heute nur eine so genannte Autonome Republik Chinas.

Die ehemalige Hauptstadt Karakorum, von Dschingiskhan 1220 gegründet, und 1639 als buddhistisches Kloster wiederbegründet, ist heute eine Ausgrabungsstätte von deutschen Archäologen. Überhaupt haben die Deutschen, denen seit den Dreißigerjahren Dschingiskhan als Begründer der Geopolitik gilt, stets ein großes Interesse an der Mongolei - vor allem der auf dem Höhepunkt ihrer Machtentfaltung - gehabt - bis heute. So lief im ZDF z.B. gerade ein Film mit dem Titel "Die Rückkehr des Dschingiskhan" und in Berlin zeigte man eine Groß-Diashow mit dem Titel: "Auf den Spuren von Dschingiskhan". Zuvor hatte sich der Maler Joseph Beuys jahrzehntelang immer wieder mit dem Mongolenherrscher beschäftigt: "Das gewaltige Reich des Dschingis bedeutete für Beuys eine reiche Inspirationsquelle für eigene Sinnbilder", heißt es dazu in einem Katalogtext. Das inspirierte neulich sogar noch das Management des Potsdamer Platzes, als sie mongolische Jurten dort aufstellten und Künstler darin Vorstellungen gaben. "Det is hier ja wie bei Dschingiskhan zu Hause," meinten viele Besucher. Die deutsche Dschingiskhanforschung hält noch immer an. Und reicht bis zu einem gerade stattfindenden  Seminar der Kulturwissenschaftler an der Berliner Humboldt-Universität. Ein Ergebnis daraus ist der Beitrag von Peter Berz in dieser Ausgabe.

Die mongolische Streitmacht ist heute im Vergleich zu der seiner zwei mächtigen Nachbarn Rußland und China sehr bescheiden und ihnen auch technisch weit unterlegen, einige Neutralitätspolitiker wollen das Militär sogar ganz abschaffen. Es gibt nur noch 9100 mongolische Soldaten und die jährlichen Militärausgaben belaufen sich auf 2,1% des jährlichen Bruttsozialprodukts (in Höhe von 947 Mio Dollar) der Republik Mongolei. Es ist deswegen vermutet worden, dass die heutige Dschingiskhan-Renaissance zur Abschreckung potentieller Gegner dient.


   

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Last Update: 03. Januar 2022