Deutsche Tischlergesellen auf Wanderschaft in der Mongolei

Von Hugo Kröpelin / Ulaanbaatar

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Handwerk verlangt Handgriffe.
Peter Emeis demonstriert und Olsibayar (re) übersetzt für die Tischler

Nicht immer werden junge Gesellen nach der Lehre von ihren Meistern als Gesellen beschäftigt. Also suchen sie zunehmend ihr Glück in der Fremde. 600 aus verschiedenen Gewerken sind auf der Walz. Vor vier Jahren gingen Jantje Hinze und Peter Emeis auf Wanderschaft. Zuerst erprobten sie sich in Deutschland und sparten sich Geld für einen größeren Trip auf. Dieser begann in einem italienischen Hafen und führte sie nach Japan und China. Eigentlich wollten sie nach Russland. Doch in den Konsulaten hörten sie meistens: "Njet". Deshalb wählten die beiden in Peking erst einmal die Mongolei. Schließlich hatte die der ehemaligen UdSSR am nächsten gestanden.

Mit einem Holländer und einer zwischen China und Russland pendelnden Mongolin im Eisenbahnabteil rollten die 26jährige Frau aus Göttingen und ihr 33jähriger Kollege aus Flensburg nach einer kurzen Passkontrolle aus dem mongolischen Grenzort Samyn Uud und einen halben Tag später in Ulaanbaatar ein. Sie erreichten in Bahnhofsnähe das "Idres Guest House" und kamen in einem normalen Plattenbau unter. Dort wohnt eine Durchschnittsfamilie und vermietet an Reisende mit nicht gerade hohen Ansprüchen Schlafplätze zu 3,50 Dollar pro Person und Nacht. Mitbewohner kamen aus Australien, Japan, Israel, Holland, Belgien, Frankreich, Schweden, USA, Polen und Deutschland.

Ihren ersten Dienstweg machten die beiden zum Büro der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ). Deren Kollegen in Peking hatten die Koordinaten besorgt, aber auch nicht sagen können, ob sich in der Mongolei Arbeitsmög-lichkeiten bieten. Horst Ammann, unter dessen Regie mittelständische Unternehmen von fünf Branchen gefördert werden, ließ sich etwas einfallen: Auf dem Bausektor waren bisher die Tischlereien zu kurz gekommen. Er ließ Jantje und Peter ein Dutzend Werkstätten in den Bezirken Tuw und Khenti inspizieren. "Die Ausstattung mit Maschinen und Werkzeugen ist ziemlich dürftig", erinnert sich die junge Gesellin, hat aber folgenden Eindruck mitgenommen: "Je weniger Werkzeuge vorhanden sind, umso besser schien uns die handwerkliche Qualität zu sein, weil diese Tischler einfach besser improvisieren können." Produziert werden vor allem Jurtenmöbel, Türen, Fenster sowie Innenausbauten für Blockhäuser. "Wir trafen sogar zwei ‚Pioniere’ des Spanplattenbaus, das ist für hiesige Werkstätten ziemlich neu", ergänzt ihr Kollege aus Flensburg. Einer der Handwerker stach besonders hervor: "Jurtentüren und Jurtenmöbel machte der mit besonderer Akkuratesse, die wir nie wieder gesehen haben. Schlitz- und Zapfenverbindungen, sehr gut angerissen und alles ganz dicht."

Die nächsten beiden Wochen waren mit Computerarbeit ausgefüllt. "Wir schrieben alle Informationen aus den Fragebögen nieder, die wir in der Provinz hatten ausfüllen lassen." Herausgekommen ist eine Übersicht für das Holzbearbeitungsinstitut. Es gab Aufschluss darüber, welches Material draußen fehlt, sowohl für die Produktion als auch für die Weiterbildung. Herausgekommen ist auch ein Programm für die Tischlerschulung. Doch vor der Theorie kam zuerst die harte Praxis.. Die Hobelbänke bestehen aus Tischplatten, an denen von zwei Seiten gearbeitet werden kann. Doch sie sind stark abgenutzt, an manchen Stellen hohl, und wie in China wird das Holz zum Behobeln nicht eingespannt, sonder gegen ein Widerlager gesetzt. Die Vorderzangeneinrichtung fällt auch sehr bescheiden aus. Jantje vermisst bei einigen mongolischen Kollegen Qualitätsbewusstsein: "Sie finden sich eben damit ab, dass diese Maschine nicht mehr funktioniert und dass jenes Werkzeug nicht mehr da ist." Dabei haben die beiden Deutschen auf dem Land durchaus selbstgebaute Hobel entdecken können.

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Holzoberflächen lassen sich auch mit dem Bügeleisen bearbeiten,
was Jantje Hinze hier demonstriert

In den Fortbildungslehrgang in der Hauptstadt bauten sie einen Schwerpunkt "Klassische Tischlerei" ein. Aufwändige Gratverbindungen, eine vollwertige Verbindung im Vollholzbereich, die hier unbekannt ist, "wollten wir den hiesigen Kollegen näher bringen und haben dafür mit ihnen Gratsäge, Grathobel und Grundhobel gebaut."Beim Schmied ließen Jantje, Peter und ihr ständiger Dolmetscher Olsibayar , der zu DDR-Zeiten Holzbearbeitung in Dresden studiert hat, Beschläge für die Hobelbank und Stähle für die Hobelanfertigen. "Aber da musst du dabei bleiben! Kehrst du dem Schmied den Rücken, drängelt sich ein anderer Kunde mit seinem Auftrag vor", erinnert sich Peter. Ähnlich war es im Sägewerk, wo die beiden geeignetes Holz für die Hobelbank bestellten. "Eigentlich wollten wir vier Hobelbänke für die Fortbildung mit 16 Leuten", fährt Jantje fort. "Aber um dem Zeit und Nerven fressenden Verhandeln und Warten ein ende zu machen, einigten wir uns auf eine."

In den Produktionshallen des Instituts, das Jahrzehnte lang für die bis 1991 stark präsenten Sowjetbetriebe und Truppenteile gearbeitet hatte, stehen russische Maschinen, die älteste Hobelbank weist das Baujahr 1954 aus. "Den hier beschäftigten Holzarbeitern fehlt das Maschinenverständnis", habendiedeeutschen Gesellen erfahren. "Niemand macht sich Gedaken darüber, dass die Lager der Maschinen Fett brauchen, und die arbeiten auch entsprechend ungenau."

In der waldreichen Mongolei – im Norden reicht die Taiga tief hinein – wird seit Jahrhunderten viel mit Holz gebaut. Die buddhistischen Tempel, die den Stalinismus überstanden haben, legen davon beredtes Zeugnis ab. Mitten in den Jurtenvierteln tauchen immer mehr Dachgerüste aus frischer Kiefer auf, und die Hauptstadt ufert immer weiter aus: Viele, die aus dem Land in die Metropole strömen, stecken sich an den Rändern ihre Claims ab, ziehen Zäune aus frischen Brettern und fangen an zu bauen. Vieles wird autodidaktisch zusammengezimmert, doch es fehlt an Grundwissen. Viele Holzarbeiter haben keine Berufsschule besucht und wollen so schnell wie möglich Geld verdienen Wer sich zu einer Ausbildung aufrafft, hat neben Lohneinbußen noch Schulgeld zu zahlen. So bleiben ihnen die technischen Eigenschaften von Holz eher unbekannt.

Für die jungen Leute, die zu den beiden Deutschen ins Institut kamen, war die Ausbildung ein Gewinn. "Hier habe ich meinen ersten Hobel gebaut, und den kann ich mitnehmen", freut sich "Mega", der eigentlich Mjagmar heißt. Der 23-jährige elternlose Mann ist im Straßenkinderprojekt "Temuulel" (Sehnsucht) so etwas wie der Vorarbeiter. Unter seiner Anleitung entsteht im Ortsteil Dambadarjaa ein neues Haus aus Holz. "Wir haben es geschafft", erläutert Emeis, "dass jeder der Teilnehmer mit seinem selbst gebauten Hobel aus Kiefernholz auch seine erste Steckverbindung gemacht hat. An ihren Arbeitsstätten können sie dann anhand ihres neuen Hobels die Winkel und Schmiegen abnehmen und aus einem dreifach verleimten Block Birkenholz selbst neue Hobel anfertigen."

Auch eine andere Art Oberflächenbearbeitung konnten sich die meist jungen Mongolen in der Bildungswoche aneignen. "Angetroffen haben wir hier hauptsächlich Dickschichtlacke, die man versucht, auf Hochglanz zu trimmen", erzählt Jantje Hinze, die diesen Part übernommen hat. "Das ist besonders bei den Schnitzereien schade, denn da gibt es sehr gute Arbeiten, aber unter dem dicken Lack gehen die Details verloren."

Mit Wachs und Öl zu arbeiten, war bisher in der Mongolei unbekannt. Auch für diese Bildungsstunde war Improvisieren angesagt. Da kein Leinöl aufzutreiben ist (im Flugzeug aus China wegen leichter Entzündbarkeit nicht zugelassen), nimmt man Sonnenblumenöl aus dem mongolischen Laden.

"Die Leute haben großes Interesse für dieses Verfahren gezeigt", meint die Göttinger Gesellin. "Es müssen dem Öl aber noch Zusatzstoffe beigemischt werden, die die Abriebfestigkeit der Oberflächen erhöhen. Die müssten in Deutschland bestellt werden. Da kann die GTZ mit den geförderten Tischlereien einen Markt für deutsche Erzeugnisse aufbauen."

"Wir haben unser Wissen und unsere Techniken vermittelt und dabei selbst viel gelernt", fassen die beiden jungen Deutschen ihre Zeit in der Mongolei zusammen. Auch Horst Ammann ist zufrieden: "Jantje Hinze und Peter Emeis haben ganze Arbeit geleistet Davon werden die jungen Tischler in den hiesigen Werkstätten manches an ihre Kollegen weiter geben." Noch mehr deutsche Gesellen könnte er sich gut vorstellen. "Die hätten im gesamten Baugewerbe gute Arbeitsmöglichkeiten", sagt er und zählt auf: "Zimmerleute, Maurer, Betonbauer, Bauschlosser, Klempner, Installateure..."

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Die beiden deutschen Gesellen mit ihrer Wirtin vor dem Guest House

Das Vierteljahr im "Guest House" am Bahnhof mit dem Kommen und Gehen junger fröhlicher Leute zu allen Tages- und Nachtzeiten wird den beiden Gesellen noch lange in Erinnerung bleiben. Dagegen ging es im Khenti richtig urwüchsig zu. Mal übernachteten sie in Häusern auf dem Wohnzimmerfußboden, mal in Jurten, meist bei Bekannten des Fahrers oder des Dolmetschers. "Wenn nichts ging, haben wir unser Zelt im Khaschaan aufgeschlagen", berichtet Jantje. Khaschaane sind die eingezäunten Parzellen der Dorfbewohner. "Hinein geraten sind wir in Sommerfeste, die große Familientreffs waren. Da wurden in freier Natur an einem Birkenhain mit vorbei plätscherndem Bach zwei Schafe geschlachtet und das Fleisch mit heißen Steinen in der Milchkanne gegart. Mit reichlich Wodka verzehrten wir die Fleischstücke, in Gemeinschaft mit Myriaden von Fliegen."

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Abschied von der Mongolei.
Mit den gepackten "Charlottenburgern" ging es per Eisenbahn nach Ostsibirien

Mit Ein-Monats-Visa ging es per Eisenbahn nach Russland. Chabarowsk, Komsomolsk, Moskau, Minsk, Odessa waren die bedeutendsten Stationen. Die Mails, die Jantje Hinze und Peter Emeis von unterwegs absetzten, besagen: Am meisten arbeiten konnten die beiden in der Mongolei. Hier gab es auch sehr geringen bürokratischen Aufwand.

Mit freundlicher Genehmigung des "Holz-Zentralblatts" (siehe auch Nr.129/2000 und www.holz-zentralblatt.com)

Quelle: mit freundlicher Genehmigung von Hugo Kröpelin, News Stories Photos aus Berlin und Brandenburg
(Dezember 2000)


   

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