Auf Murmel zu jagen ist an sich schon etwas ganz besonderes. Zum einmaligen und unvergesslichen Erlebnis wird es in der Mongolei... vor allem wenn es nach erfolgreicher Jagd die Beute als Hauptgang zum Abendessen gibt!
Alles geht ganz schnell
Wie ein geölter Blitz rennt Dorjoo auf ein Loch im Boden zu. Ein schnelles Bücken, ein rascher Griff und schon hält er die erste Beute des Tages in der Hand. Einen recht ansehnlichen, wenn auch nicht kapitalen Murmel hat sein Schicksal ereilt. Der Schuss war nicht leicht auf 80 Meter ohne Zielfernrohr und schnell ist das Wild auch bei guten Schüssen noch im Bau verschwunden. Nicht so dieses Mal...
Die Freude ist wirklich groß. Zweifel an seinem Tun kommen ihm nie. Auch nicht, wenn er reiche Beute macht. Eine Sage besagt, dass für jedes Tier, dass stirbt, ein Mensch weniger sterben muss. Insofern haben wir gerade nicht nur für ein gutes Abendessen gesorgt, sondern quasi nebenbei auch noch ein Menschenleben gerettet.
Die Jagd war spannend, wenn auch nicht wirklich traditionell mongolisch. Der typische Tanz des Jäger, mit dem er das Wild beim Anpirschen ablenkt, ist dieses Mal ausgefallen. Wir sind hauptsächlich losgezogen, um Beute zu machen ... denn uns knurrt der Magen.
Was wissen wir über die Mongolei?
Viel weiß man erst einmal nicht. Umfragen – auch auf der EXPO 2000 in Hannover – haben ergeben, dass Chinggis Khan, Jurten, Reiter und Wodka das Erste sind, was einem zur Mongolei einfällt. Wir Jäger haben wenigsten schon einmal von Maralen und Argalis gehört und können uns mit viel Phantasie vorstellen, wie es ist, bei minus 40 Grad Celsius zu leben. (wer das nicht kann: Es ist eintausend mal schlimmer, als ein Nachtansitz auf Sauen ohne Rum mit Tee im Winter).
Trotz allem: Die Mongolei hat sich als Jagdreiseland schon einen gewissen Namen gemacht. Starke Trophäen interessanter, aber nicht gänzlich fremder Arten und ursprüngliche Jagd sowie die gastfreundlichsten Menschen der Welt machen den Reiz aus.
Kochen auf Mongolisch
Doch zurück zum Murmel: Die Jagd galt dem Fleisch und so geht es quer durch die Steppe zurück zur Ger, wie die traditionelle Jurte auf Mongolisch heißt. Kein Weg, kein Baum, kein Nichts! Wie der Fahrer den Weg findet ist mir ein Rätsel. Ob er sich dabei verfahren hat werde ich nie erfahren, denn alles sieht irgendwie gleich aus. Die Weite ist unglaublich und die Einsamkeit noch unglaublicher. Es ist einfach traumhaft.
„Daheim" angekommen wird es wirklich spannend. Man hat mir schon vorher berichtet, dass der Hausherr ein wahrer Meister in der Zubereitung von „Murmel Boodog" ist. In der Jagdzeit gibt es fast nichts anderes auf dem Land. Die einen lieben es, die anderen behaupten, dass Murmel schmeckt wir die Erde in der sie leben... alle sind sich aber einig, dass die traditionelle vergorenen Stutenmilch „Airak" besonders gut dazu passt – eine gute Erklärung für den hohen Konsum dieses Getränks.
Er zieht sich mit der Beute etwas zurück, um mit den Vorbereitungen zu beginnen. Ich folge ihm und werde jäh verscheucht. Mein etwas müder schlurfender Gang hat so viel trockenen Sand aufgewirbelt, dass ich das Fleisch zu verschmutzen drohte! Im zweiten Anlauf gelingt mir eine staubfreie Annäherung. Was ich zu sehen bekomme, ist aber erst einmal nichts besonderes: Mit viel Fingerspitzengefühl zieht er das Murmel ab. Nur eine kleine Öffnung am Kopf im Pelz entsteht dabei. Anschließend wird das Tier – ähnlich wie bei uns bei einem Hasen – ausgenommen und zerwirkt.
Jetzt wird es spannend...
... mit dem sauberen Fleisch in der einen und der Decke in der anderen Hand zieht es den Koch in die Ger. Mit einer großen Zange entnimmt er dem Ofen fast glühende Steine. „Heißer Stein", das kommt mir irgendwie bekannt vor. Was dann folgt, aber ist erstaunlich.
Mit viel Sorgfalt werden abwechselnd Steine und das Fleisch in die Decke des Murmels gefüllt. Laut zischend werden sie in alle „Ecken" verteilt und sorgsam zusammengedrückt. Nach rund 10 Minuten sind das gesamte Fleisch, ein paar Gewürze und ein paar Kilo Steine in dem „Sack" verschwunden. Mit einem Draht wird die kleine Öffnung verschlossen... ob das die Erfindung des Dampfkochtopfs maßgeblich beeinflusst hat ist nicht bekannt!
Der nächste Zubereitungsschritt ist ebenso interessant: Das von innen her gut durchgewärmte Murmel – die Steine mögen ihm schwer im Magen liegen – wird wie eine Ente gerupft und anschließend abgesengt, bis die Haut sauber und glatt ist. Nun wandert der gesamte „Murmeldruckkochtopf" ins offene Feuer, bis er kross und braun ist... ein wenig erinnert das „Werk" danach an eine nackte Ratte, was aber dem Genuss keinen Abbruch tun sollte.
Es schmeckt... gut sogar
Feierlich wird das Murmel nun an der Bauchdecke geöffnet. Als erstes werden die heissen Steine an die umstehenden Genießer verteilt. Es soll der Gesundheit förderlich sein, diese von einer Hand in die andere zu nehmen – es empfiehlt sich, dieses wirklich zu tun, denn sie sind sehr heiß. Während dieser Prozedur wird das Fleisch, das im wahrsten Sinne des Wortes im eigenen Saft gegart ist, mehr oder weniger gerecht verteilt.
... und es schmeckt ausgezeichnet. Ein leichter Wildgeschmack, sehr zart und sehr sehr saftig ist das Wildbret. Je nach Jahreszeit ist das Fleisch relativ Fett, was aber gerade für die nomadisch lebende Landbevölkerung der Mongolei ein Hochgenuss ist. Die Schwarte selbst kommt zum Schluss dran. Wie Schweinebauch oder fetter Speck sieht sie aus und schmeckt auch so.
Gegessen wird fast immer vor der Tür. Die Frauen legen großen Wert darauf, weil das berühmte Murmeltieröl genauso berüchtigt ist und sich aus dem Boden kaum wieder heraus waschen lässt.
Die Murmeljagd ist und bleibt somit ein besonderes Erlebnis. Sowohl kochtechnisch als auch kulinarisch kaum zu übertreffen. Allein die Tatsache, so zu kochen, wie man es schon seit hunderten, wenn nicht tausenden von Jahren tut, als die Hirten keinen Kochtopf mitnehmen konnten oder wollten, ist ein Erlebnis für sich.
Als Jagdgast ist es ohne weiteres möglich auf Murmel zu jagen. Die Jagdzeit ist vom 10. August bis zum 16. Oktober. Gejagt werden dürfen – ohne spezielle Lizenz alle Tiere, die älter als ein Jahr sind. Für ein im Fell sehr helles Steppenmurmel aus den Zentralprovinzen und der Ostmongolei ist eine Gebühr von 160 Tugrik (ca. DM 0,30) an die Verwaltung zu bezahlen (was der Jagdführer verlangt ist eine ganz andere Sache!). Für die in der Färbung dunkleren Altai-Murmel aus der gleichnamigen Region, sind rund 200 Tugrik fällig.
Die Autoren:
Gerelchimeg Ch.-Trede ist Dozentin für Marketing an der Universität der Mongolei in Ulaanbaatar. | |
Thorsten Trede ist Geschäftsführer der APPLICATIO Training & Management GmbH. Er ist als Trainer und Berater im Bereich Management und Marketing weltweit aber vor allem in der Mongolei tätig und arbeitet in Hamburg als freier Journalist. |
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Last Update: 03. Januar 2022