Die Deutsche Mongolei Agentur aus Ulaanbaatar präsentiert:
Renate Bormann, Ulaanbaatar
Beladen der Laster mit Proteinkeksen. 09.01.02
Wer denkt noch an die Schneekatastrophe, die vor
zwei Jahren die Weltöffentlichkeit alarmierte und zu einer beispiellosen
Solidarität mit den in ihrer Existenz bedrohten mongolischen Nomaden führte?
Zu viel ist seitdem auf der Welt passiert, was die Gemüter aufgeschreckt hat:
Tausende tote Menschen nach dem Terroranschlag in New York, Hungertote in
Afrika, tote Zivilisten und Soldaten in Afghanistan, Kriege,
Naturkatastrophen...
Wenn auch nicht mehr im Mittelpunkt des Medieninteresses, haben die Mongolen und
ihre Helfer nicht nachgelassen, in ihrem Bemühen, die Folgen des
Massenviehsterbens zu überwinden.
Die deutschen Hilfsmaßnahmen koordinierte und koordiniert vor Ort die
Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Dr. Wolf Wagner, seit 1998
als Gesundheitsberater in der Mongolei tätig, war gemeinsam mit seinen Kollegen
von den internationalen Hilfsorganisationen und den mongolischen Behörden für
die humanmedizinische Unterstützung verantwortlich.
v.l. Tsolmon, stellv. Ges.ministerin N. Udval, Dr. Wagner
Dr. Wagner zu Einzelheiten:
„Im März 2000 erfolgte ein Aufruf der
mongolischen Regierung an die internationale Gemeinschaft mit der Bitte um
Hilfe. Nach frühen, starken Schneefällen und einem Kälteeinbruch, denen
insgesamt fünf Millionen der 30 Millionen Kamele, Pferde, Rinder, Schafe und
Ziegen zum Opfer fallen sollten, drohte zehntausenden Nomadenfamilien der
Verlust ihrer Existenzgrundlage.
In dieser Situation hat die Bundesregierung Unterstützung im Rahmen der
veterinär- und humanmedizinischen Versorgung in Höhe von einer Million DM
angeboten, die sie im Laufe des Jahres um eine weitere Million erhöhte."
Wofür wurde dieses Geld ausgegeben?
Wagner: „Für die Unterstützung der
Gesundheitsdienste mit dem Ziel des vorbeugenden Katastrophenschutzes, für
Supervision, für die Anschaffung von Nortfallgerätschaften, für
Notfallevakuierungen, für den Ankauf von Medikamenten, medizinischem Gerät
sowie Kontrazeptiva."
Wagner weiter: „Als offensichtlich wurde, dass besonders die Kinder unter
Ernährungsmängeln zu leiden begannen, erfolgte eine ergänzende Maßnahme der
Bundesrepublik in Höhe einer weiteren Million als Nahrungsmittelnothilfe. Davon
wurde eine halbe Million über das Deutsche Rote Kreuz und deren
Schwesterorganisation, das Mongolische Rote Kreuz, die andere halbe Million
über die GTZ umgesetzt. Ausgegeben wurden diese 500.000 DM für
proteinangereicherte Energiebiskuits, Milchpulver sowie für die Schulung von
Gesundheitspersonal im Zusammenhang mit der Wiedereinführung der
Wachstumskontrollen bei Kindern.
Wie löste die GTZ die Aufgabe, schnell und an der richtigen Stelle zu helfen?
Wagner: „In enger Zusammenarbeit mit der „Emergency
Commission" der Mongolei, mit dem mongolischen Gesundheitsministerium und
dessen Nationalen Ernährungsinstitut sowie mit UNICEF wurde die Bereitstellung
von Milchpulver und proteinangereicherten Energiebiskuits vereinbart. 15 Tonnen
Vollmilchpulver wurden in der Mongolei eingekauft. 140 Tonnen Biskuits lieferte
nach Ausschreibung eine niederländischen Firma.
Die ersten Fahrzeuge mit Proteinkeksen und Milchpulver erreichten im März/April
2001 ihre Bestimmungsorte, die zweite Lieferung und Verteilung der Biskuits
erfolgte im Dezember 2001 und im Januar 2003."
Für wen waren Milchpulver und Biskuits bestimmt?
Wagner: „Nach Rücksprache mit den genannten
mongolischen Behörden und mit UNICEF sollen die Biskuits und das Milchpulver
Kindern, Schwangeren und stillenden Müttern mit Anzeichen von Mangelernährung
neben der normalen täglichen Ernährung zu einem zusätzlichen Angebot von
täglichen 1.250 Kcal. über einen Zeitraum von 30 Tagen verhelfen.
Die 140 Tonnen Biskuits entsprechen 657.728 Tagesrationen für 21.920 Personen
aus dem genannten Zielgruppenkreis. UNICEF hatte in einer ergänzenden Maßnahme
die Versorgung der Mangelernährten in fünf Provinzen übernommen, die GTZ
versorgte die mangelernährten Kinder im Alter zwischen sechs und 60 Monaten
sowie Schwangere und Stillende in den drei Provinzen Uvs, Zavkhan und Tuv."
Was ist unter Wachstumskontrolle zu verstehen und wie werden die entsprechenden Maßnahmen verwirklicht?
Wagner: „Zur Überwachung der Verbesserung des Ernährungszustandes der genannten Bevölkerungsgruppen und zur Prävention zukünftiger Ernährungsnotsituationen, besonders bei Kindern unter fünf Jahren, sind 12 Gesundheitsteams darin unterwiesen worden, die Kindesentwicklung zu überwachen. Damit wurde das System der regelmäßigen Wachstumskontrolle aller unter Fünfjährigen, das besonders in den ländlichen Regionen mangels Waagen und Unterlagen oft nicht mehr oder nur noch sporadisch durchgeführt worden war, wiedereingeführt. Ergänzendes Material (Personenwaagen, Eisensirup, Überwachungskarten) war von UNICEF gestellt und von der GTZ in die Projektprovinzen transportiert und bis auf Distriktebene verteilt worden."
Die Kekse kann man essen...
Mitunter passen Nahrungsmittellieferungen nicht zur gewohnten Ernährungsweise der Empfänger oder verletzen religiöse Tabus. Gibt es ähnliche Probleme in der Mongolei?
Wagner: „Die trockenen Biskuits sind, noch dazu
unter den Bedingungen des trockenen, kalten Winters in der Mongolei, sehr lange
haltbar, schmecken angenehm nach Vollkorn und können zu Tee und anderen
Getränken oder in Milch, Suppen u.a. Flüssigkeiten eingerührt und verzehrt
werden.
Die Biskuits sind somit ohne Schwierigkeiten in die traditionelle Nahrung
integrierbar. Sie werden auf pflanzlicher Basis produziert, das Milchpulver ist
reines Kuhmilchpulver und damit eines der mongolischen Grundnahrungsmittel.
Die Mongolen, die meisten sind Anhänger des Buddhismus/Lamaismus, kennen
überdies keine einschränkenden Speisevorschriften."
Wie sieht es in Ulaanbaatar aus, hier gibt es doch sicher auch ungenügend ernährte Kinder?
Wagner: „ Selbstverständlich fühlen wir uns
auch für die Kinder in der Hauptstadt verantwortlich. In fünf Kindergärten
haben wir mehrere 100 Kartons mit den Keksen verteilt und was soll ich sagen,
den Kindern schmecken die Kekse, vielleicht nicht ganz so gut wie Schokolade,
aber abgelehnt hat keines der Mädchen und keiner der Jungen."
Auch in diesem Winter werden Viehalterfamilien all ihre Tiere verlieren. In der
Provinz Bayankhongor sind bereits über 800 000 Tiere verendet, für die
betroffenen Nomaden bedeutet das den wirtschaftlichen Ruin. Sie sind weiterhin
auf Hilfe von außen angewiesen, so dass die Hilfsmaßnahmen weitergeführt
werden.
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Last Update: 03. Januar 2022