Die Deutsche Mongolei Agentur aus Ulaanbaatar präsentiert:
von Dr. Renate Bormann Ulaanbaatar
Schneefall in Ulaanbaatar. 30.09.03
01.10.2003: Eröffnung der Herbstsitzungen des
Großen Staatskhurals
Zum dritten Mal in Folge konnte
Ministerpräsident N. Enkhbayar seine Rede auf einer Eröffnungssitzung des
Parlaments nicht halten. Der Abgeordnete der Demokratischen Partei (DP), L.
Gundalai, forderte zum wiederholten Male und erneut vergeblich, Rederecht für
die Opposition.
Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden des Großen Staatskhurals, S.
Tumur-Ochir und dem Abspielen der Nationalhymne schlenderte Gundalai zum
Rednerpult.
Das Argument, laut Verfassung stünde ein Rederecht dem Präsidenten, dem
Ministerpräsidenten und Parteien mit mindestens acht Parlamentssitzen zu sowie
den Hinweis auf die regulären Parlaments- und Ausschusssitzungen ließ er nicht
gelten. Nur die Eröffnung der Frühjahrs- und Herbstsitzungen würden landesweit
vom staatlichen Rundfunk und Fernsehen übertragen und damit der Minderheit eine
nennenswerte Öffentlichkeit für ihre Meinung sichern.
Einige Abgeordnete der regierenden Mongolischen Revolutionären Volkspartei (MRVP)
verließen den Saal, andere griffen Gundalai heftig an, er würde das Ansehen des
Parlaments und des Staates schädigen wieder andere beobachteten von ihrem Platz
aus das Schauspiel, das ihnen geboten wurde.
Tumur-Ochir beendete schließlich die Sitzung vorfristig. Enkhbayars Rede wurde
im Wortlaut in der Regierungspresse veröffentlicht und im Fernsehen übertragen.
Präsident Bagabandi, der zur 58. UNO-Hauptversammlung nach New York gereist war,
musste aus diesem Grunde auf eine Teilnahme an der Eröffnung der Herbstsitzungen
des Großen Staatskhurals verzichten.
M. Enkhsaikhan: Demokratie und Sozialismus sind
unvereinbar
In seiner Grundsatzrede auf der X.
Versammlung des Nationalrates der DP am 29.09. kritisierte der
Parteivorsitzende, M. Enkhsaikhan, die MRVP als „Kraft aus der Vergangenheit"
und widersprach den Passagen in der Rede von Ministerpräsident Enkhbayar auf der
Demokratiekonferenz, nach 1924 sei in der Mongolei eine Periode der
Demokratisierung eingeleitet worden.
Einmütig gebilligt wurde der Vorschlag, mit der Bürgermut-Republikanischen
Partei ein Dreierwahlbündnis einzugehen. ( Zum bisherigen Zweierbündnis „
Mutterland – Demokratie" gehören die DP und die Mutterland-Demokratische Neue
sozialistische Partei).
Gleichzeitig betonte Enkhsaikhan, dass auch für die nicht im Parlament
vertretenen Parteien ein Beitritt zum Wahlbündnis möglich sei. Entsprechende
Initiativen kamen von den Grünen, der Neuen Liberaldemokratischen Partei und der
Vereinigten Traditionspartei der Mongolei. Koalition oder Vereinigung – diese
Frage stünde zu einem späteren Zeitpunkt auf der Tagesordnung.
Die Einführung einer Frauenquote konnte nicht abschließend behandelt werden.
Den beiden Koalitionspartnern (Bürgermut und Mutterland) wurden jeweils zehn
Plätze auf der Kandidatenliste der Opposition für die Wahlen im nächsten Jahr
zugesagt.
Die Mitglieder des Nationalrates beschlossen ein vorläufiges
Neun-Punkte-Programm: Befreiung der Viehhalter von allen Steuern für fünf Jahre,
Stabilisierung des Kilopreises für Rohkaschmir auf 30 000 Tugrug, 1 000
Studenten werden nach entsprechenden Auswahlverfahren auf Staatskosten zum
Studium ins Ausland delegiert, die kommunale Selbstverwaltung wird gefördert,
für die Einstellung von Staatsangestellten ist nur deren fachliche Kompetenz und
nicht die Parteizugehörigkeit ausschlaggebend.
Gundalai: Die MRVP hat ihre Wahlversprechen
gebrochen
In seiner nicht gehaltenen Rede
beschuldigte der DP-Abgeordnete die Regierungspartei, das Parlament zu ihrem
Privatbesitz degradiert zu haben, die Informationsfreiheit der Bürger
fortwährend zu verletzen (keine oder nur sehr eingeschränkte
Darstellungsmöglichkeiten für die Opposition in den Massenmedien) die Armut
nicht reduziert und die Lebensbedingungen nicht verbessert zu haben. Einer von
drei Mongolen lebe am Rande des Existenzminimums.
80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschafteten private Unternehmer. Aber
die versprochenen Steuererleichterungen seien nicht gewährt worden.
Die Viehzahlen sanken in den letzten drei Jahren von 33 auf 23 Millionen.
Die Preise für Waren des täglichen Bedarfs seien kontinuierlich gestiegen, ein
Brot, z.B. von 250 auf 300 Tugrug.
Änderungen am Wahlgesetz
Während der Herbstsitzungsperiode werden
die Abgeordneten Zusätze und Änderungen zum Wahlgesetz diskutieren. Bisher
liegen zwei Vorschläge auf dem Tisch: Einer von J. Byambadorj, stellvertretender
Parlamentsvorsitzender, der andere von D. Demberel, Chef des Ständigen
Parlamentsausschusses „Staatsorgane", der das Mehrheitswahlrecht favorisiert.
16 Gesetzentwürfe und 40 weitere Punkte stehen auf der Tagesordnung der
Parlamentarier, darunter das Antikorruptionsgesetz und die Diskussion über das
Nationale Programm zur Bekämpfung des Alkoholismus.
„Gobi"-Privatisierung
Die Kaufanträge von sechs Unternehmen für
die zum wiederholten Male zur Privatisierung ausgeschriebene Kaschmirfabrik
„Gobi" wurden vom Komitee für Staatliches Eigentum akzeptiert: Tiroler Loden
(Österreich), Lanificio del Casentino (Italien), „Buyan" (Mongolei), BTK -
Bridge Group, TBD-Anduud (Mongolei) und Kimono Kimoyushi (Japan), „Gobi"-Konsortium
(Mongolei, USA, Indien) und Itochu Wool Ltd. (Mongolei, Deutschland).
Exportverbot für Zirbelkiefernüsse
Im März 2003 wurde auf Beschluss des
Ministers für Natur und Umwelt, Barsbold, der Export der Zirbelkiefernüsse ins
Ausland verboten.
Avirmed, der Leiter der Forst- und Wasserbehörde im Umweltministerium, nahm zu
Vorwürfen Stellung, seine Behörde hätte trotz Ministererlass,
Exportgenehmigungen erteilt.
Avirmed wies diese Vorwürfe zurück. Die Genehmigungen seien noch vor dem Verbot
erteilt worden.
2 761 Tonnen der begehrten Nüsse seien ins Ausland (vor allem nach China)
geliefert worden und hätten der Staatskasse 400 Millionen Tugrug eingebracht.
Allein der Sum Mungunmort im Tuv-Aimag hätte durch den Export der Früchte 72
Millionen Tugrug eingenommen.
Gegenwärtig dürfte eine Person 500 Kilogramm für den Binnenhandel ernten und
verkaufen. Der Versuch, die Nüsse ins Ausland zu transportieren, werde von den
zuständigen Grenzkontrollbehörden geahndet.
v.r. Dr. Nowak, Vizeminister Bat-Erdene, Dr. Vorwerk
Deutsche Informationsbibliothek in Ulaanbaatar
eröffnet
Am 03. Oktober, zum Tag der deutschen
Wiedervereinigung, wurde in der mongolischen Hauptstadt die „Deutsche
Informationsbibliothek", ein Gemeinschaftsprojekt der Staatsbibliothek der
Mongolei mit dem Goethe-Institut, feierlich eröffnet.
„Heute geht es nicht um Politik, Wirtschaft oder große Geldsummen, sondern um
Kunst, Kultur, um Bücher." Dr. Michael Vorwerk, der deutsche Botschafter in der
Mongolei, betonte in seiner Eröffnungsrede, mit der Übergabe des deutschen
Medienkabinetts im Kinderbuchzentrum von Ulaanbaatar sei lediglich der
Grundstock gelegt für etwas, das im Laufe der nächsten Monate und Jahre wachsen
und gedeihen soll.
Der eigens aus Peking angereiste Direktor des dortigen Goethe-Instituts, Dr.
Ulrich Nowak, ist überzeugt davon, dass die Mongolen, alte und junge, Frauen und
Männer, die neue Informations- und Bildungseinrichtung annehmen und nutzen
werden. Die Mongolen seien lesefreudig und bildungshungrig.
Schon der aktuelle Bestand der Bibliothek kann sich sehen lassen: 2 500
deutschsprachige Bücher, 900 Videos, Kassetten, CDs und CD-Roms, 25 deutsche
Zeitungen und Zeitschriften.
In Zukunft sollen den aus- und inländischen Interessenten an deutscher Sprache
und Kultur, an Gegenwart und Vergangenheit Deutschlands, 8 000 Lehrbücher,
Romane, Erzählungen, Fach- und Sachbücher, Lexika, Kunstbände und Kartenwerke
zur Verfügung stehen.
In der Deutschen Informationsbibliothek in Ulaanbaatar
Das Goethe-Institut stellt nicht nur die Medien
kostenlos zur Verfügung. Es sorgt auch für die Weiterbildung der
Bibliothekarinnen. Darüber hinaus versicherte Dr. Nowak, die Medienausstattung
der Bibliothek nicht nur jedes Jahr zu erweitern, sondern auch zu aktualisieren.
Einen großen Teil der Technik: Fernseh- und Videogerät, Kassettenrecorder,
CD-Player und Computer, spendete die Heinrich-Böll-Stiftung, die bis vor kurzem
in der Mongolei aktiv war, nun aber ihr Engagement auf Unterstützung aus der
Ferne reduzieren musste.
Die 20 Arbeitsplätze in der Bibliothek können ab sofort mittwochs bis samstags,
ab dem nächsten Jahr zusätzlich am Dienstag, von 10.00 bis 18.00 Uhr genutzt
werden.
Zwei mongolische Bibliothekarinnen stehen Lesern und Besuchern gern mit Rat und
Tat zur Seite.
Erdbeben in Bayan-Ulgii
In der Nacht vom 27. zum 28. September
bebte in mehreren Sums des Bayan-Ulgii-Aimags im Westen der Mongolei die Erde.
Das Beben erreichte eine Stärke zwischen 4,6 und 7,5 auf der Richterskala.
Krankenhäuser und Schulen wurden beschädigt. Die Schnelle Medizinische Hilfe war
während des zehnstündigen Bebens ständig im Einsatz.
Humanitäre Hilfe – 2003
Am 30. September wurden die ersten
Transporte mit Hilfsgütern, Mehl, Schuhe, Winterkleidung, u.a. in Richtung
Westen auf die Reise geschickt.
Ziel der Hilfslieferungen sind 22 Sums in den Aimags Bayan-Ulgii, Uvs und Khovd.
Damit soll 1 435 bedürftigen Familien die Überwinterung erleichtert werden.
Insgesamt werden 115 000 Menschen in 20 Aimags (Provinzen) im Laufe der
kommenden Monate unterstützt.
Die ersten Hilfslieferungen gingen im Februar und März dieses Jahres in die
Aimags Bulgan, Khuvsgul und Selenge.
Verantwortlich für das Hilfsprogramm zeichnen das Internationale und das
Mongolische Rote Kreuz sowie der Rote Halbmond.
Doppelmordprozess
Vor dem Stadtbezirksgericht Bayangol müssen
sich seit dem 02. Oktober die mutmaßlichen Mörder der Studentin N. Odonchimeg
und ihres Vaters Narankhuu verantworten.
Der Hauptverdächtige, N. Uugan-Erdene, mit Odonchimeg seit 2001 befreundet,
wollte eine Trennung nicht akzeptieren, verfolgte seine ehemalige Freundin,
bedrohte sie.
Am Morgen des 23. März 2003 passte er die junge Frau vor ihrer Wohnung im
Stadtbezirk Bayangol in Ulaanbaatar ab. An seiner Seite zwei Freunde. Alle drei
hatten zuvor eine Flasche Arkhi (mongolischer Schnaps) getrunken. Uugan-Erdene,
von Odnoos Studienkollegen als gewalttätig geschildert, folgte O. in die
elterliche Wohnung, wo der Vater vor dem Fernsehapparat saß. Die beiden jungen
Leute setzten sich in die Küche, gerieten in Streit, woraufhin der Vater dem
jungen Mann bedeutete, die Wohnung zu verlassen. Der begann mit einem Messer auf
das Mädchen und den zu Hilfe geeilten Vater einzustechen. Tochter und Vater
verbluteten. Die beiden Begleiter des Mordverdächtigen, der sich angeblich an
nichts erinnern kann, wollen erst nach der Tat die Wohnung betreten haben.
Nach Zeugenaussagen ist Uugan-Erdene in der erklärten Absicht losgezogen, seine
Freundin umzubringen. Die Mutter und Ehefrau der Opfer, zum Zeitpunkt der Tat an
ihrem Arbeitsplatz, befindet sich immer noch in ambulanter ärztlicher
Behandlung.
Aufgrund des Wunsches der Kommilitonen des ermordeten Mädchens, an der
Verhandlung teilzunehmen, wurde diese in den Versammlungsraum der
Eisenbahnpolizei verlegt.
Am 06. September wird der Prozess fortgesetzt.
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