Die Deutsche Mongolei Agentur aus Ulaanbaatar präsentiert:

Neues aus der Mongolei
2. bis 8. April 2007

von Dr. Renate Bormann, Ulaanbaatar


Demo vor dem Regierungspalast am 05.04.07

Mongolei: Furcht vor dem eigenen Volk?
Regelmäßig zu Beginn der Frühjahrssitzungen des Großen Staatskhurals protestieren auf dem zentralen Platz der mongolischen Hauptstadt die mit Regierung und Parlament Unzufriedenen.
Was sich am Donnerstag, dem 05. April, vor dem Regierungsgebäude, auch Sitz des Parlaments abspielte, ähnelte eher einer Komödie als einem Drama. Alle Eingänge des Regierungspalastes wurden von Soldaten in Kampfuniform bewacht. Die Einlassbestimmungen waren so streng wie nie zuvor seit der politischen Wende 1990.
Rund um den Platz bis in die Seitenstraßen hinein waren Polizeifahrzeuge und Uniformierte platziert.
Die Zahl der Demonstranten konnte ein solches Sicherheitsaufgebot nicht rechtfertigen. Etwa 300 Anhänger der„Front Ehrlicher Bürger", der „Grünen", „Weite Mongolei", „Meine Mongolische Erde", der „Bürgerbewegung für eine Gesunde Gesellschaft und der „Nationalen Soyombo-Bewegung" zogen mit Spruchbändern vor den Haupteingang des Regierungsgebäudes. Es kam zu Rangeleien mit den Sicherheitskräften, die jedoch schnell abebbten. Fünf Bürgervertreter, darunter J. Batzandan (Gesunde Gesellschaft), G. Arslan (Ehrliche Bürger), O. Bum-Yalagch (Grüne) wurden nach Abschluss der offiziellen Eröffnung ins Gebäude vorgelassen und konnten ihre Forderungen den Parlamentariern übergeben: Die Verträge mit den Betreibern von „Oyu Tolgoi", „Tavan Tolgoi", „Asgat", „Tsagaan Suvarga" sollen zunächst „auf Eis gelegt werden". Tsendiin Nyamdorj, der Vorsitzende des Großen Staatskhurals, soll zurücktreten, da er, vom Verfassungsgericht bestätigt, die Texte des Antikorruptionsgesetzes und des novellierten Bergbaugesetzes nach der Verabschiedung geändert habe. (Es sei deshalb ungültig).
Einen ersten Erfolg konnte der Rat der Demokratischen Partei (DP) im Großen Khural verbuchen: Sollte Nyamdorj die Frühjahrssitzungen eröffnen, hatten sie mit ihrem Auszug aus dem Sitzungssaal gedroht Daraufhin tauschten Nyamdorj und sein Stellvertreter D. Lundeejantsan die Plätze. Zuvor gab Nyamdorj eine Erklärung zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen ab. „Ich habe die Gesetze nicht verändert, nur von meinem Recht Gebrauch gemacht, stilistische und orthografische Unsauberkeiten zu verbessern".
Lundeejantsan verlas die von Nyamdorj vorbereitete Rede, danach erklang die Nationalhymne. Nach der Rede von Präsident Nambaryn Enkhbayar war die unerwartet ruhig verlaufende erste Frühjahrssitzung beendet.

Aus der Rede N. Enkhbayars: Die Frühjahrssitzungen 2007 stehen unter besonderen Vorzeichen. In etwas mehr als einem Jahr wird ein neues Parlament gewählt. Die Abgeordneten werden sich mit der Entwicklungsstrategie für das Land bis 2021 auseinandersetzen.
Politische Parteien geraten zunehmend in die Hände von Wirtschaftsgruppierungen, was Korruption und Bestechlichkeit erleichtert.
Die Glaubwürdigkeit aller Parteien habe nachgelassen, sie werden als korrupt und eigennützig im Interesse Weniger wahrgenommen. Das kann uns nicht gleichgültig lassen.
Jährlich wird der Stand bei der Erfüllung der „Jahrtausendziele" von internationalen Organisationen geprüft. Die Ergebnisse werden weltweit veröffentlicht. Leider wird für unser Land in letzter Zeit ein Stillstand, bei einigen Kennziffern sogar ein Rückgang verzeichnet.
Die Armut konnte nicht nennenswert reduziert werden, die Unterschiede zwischen Stadt und Land nehmen zu, die Einkommensunterschiede werden größer, die Zahl der fehlernährten Kinder ist nicht wesentlich gesunken, auch bei der Rekonstruktion schadhafter Schulgebäude konnten nicht alle Ziele erreicht werden. Das gilt ebenfalls für die Versorgung mit sauberem Wasser und die Schaffung einer sauberen, schadstofffreien Umwelt.
Die Wirtschaft hat sich erfolgreich entwickelt, trotzdem gibt es Defizite im Banken- und Finanzsystem, die Schattenwirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit konnte nur minimal eingedämmt werden.
In acht Punkten zählte der Präsident auf, was wie verbessert werden muss. Wichtig sei es, wieder mehr Aufmerksamkeit auf die Erziehung der Jugend zu richten, das Verantwortungsbewusstsein der Bürger für das Land und ihr eigenes Schicksal zu stärken.

Sitzstreik im „Weißen Haus" in Ulaanbaatar
Opfer der bankrott gegangenen Kreditgenossenschaften hatten angekündigt, ab dem 05. April im MRVP - Hauptgebäude in Ulaanbaatar (neben dem Ulaanbaatar-Hotel) einen Sitzstreik zu beginnen. 100 Vertreter der etwa 10 000 Geschädigten wollten so auf die Verantwortung von MRVP - Funktionären aufmerksam machen und ihre Forderung nach schneller Wiedergutmachung Nachdruck verleihen.
Gestattet wurde der Einlass schließlich jeweils 20 Personen pro Tag.
Seit drei Tagen wird der Eingangsbereich des Gebäudes sehr sorgfältig bewacht. Journalisten ist das Betreten des Gebäudes nur unter strengen Auflagen gestattet.

Wohnungen für Landärzte
D. Tuya, Gesundheitsministerin und Abgeordnete des Großen Khurals, hat kürzlich das „Programm zur Verbesserung der Wohnverhältnisse der Sumärzte" bestätigt.
In das Programm, das Bestandteil des Projekts „Die Entwicklung des Gesundheitswesens – 2" ist, umfasst die Aimags Bayankhongor, Dornod, Zavkhan, Uvurkhangai und Khentii.
Geplant ist der Bau von Zweiraumwohnungen mit Garagen in 70 Sums (Landkreise).
Von den 33 600 Beschäftigten im Gesundheitswesen arbeiten 52 Prozent auf dem Land. Von ihnen leben 80 Prozent in Gers. Das Streben nach Verbesserung ihrer Wohnverhältnisse ist der Hauptgrund dafür, dass so viele Ärzte in die „Stadt", sprich: nach Ulaanbaatar, umziehen.
66 Prozent würden aufs Land, in ihre Heimataimags, zurückkehren, sollten sich ihre Wohnverhältnisse dort verbessern.

Erneuerung der Technik und Technologie im Ackerbau
Unter diesem Thema stand am 06. März die Beratung zu Problemen in der Landwirtschaft.
Reden hielten Landwirtschaftsminister D. Terbishdagva, Ministerpräsident, M. Enkhbold und der Vorsitzende des Ständigen Ausschusses Natur und Umwelt, Landwirtschaft und Nahrungsgüter, A. Bakei.
20 Prozent der Landwirtschaftsproduktion werden von 60 000 Ackerbauern erwirtschaftet.
In den letzten acht Jahren wurden 1 200 Landwirtschaftsbetrieben 90 200 Tonnen Saatgut zu Vorzugsbedingungen überlassen. Im vergangenen Jahr wurden mit japanischer und chinesischer Hilfe Traktoren und andere Landwirtschaftstechnik im Wert von 13,3 Milliarden Tugrug angeschafft. 39 Bewässerungsanlagen wurden rekonstruiert, 15 neue errichtet. Aber es gehe nicht nur um verbesserte Technik. Der Qualität des Saatgutes werde in Zukunft mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden müssen.
In diesem Jahr sollen 140 000 Hektar bebaut werden.


Ger Khoroolol. Echte Gers werden dort immer seltener

10 000 Wohnungen für Hauptstädter
Bauminister J. Narantsatsralt und der Oberbürgermeister von Ulaanbaatar, Ts. Batbayar, informierten darüber, dass noch in diesem Jahr 10 000 Wohnungen im Rahmen des Programms „40 000 bezahlbare Wohnungen" in Ulaanbaatar gebaut werden sollen.
Allein die Erschließungsarbeiten in Yarmag und Buyant Ukhaa kosten 26 Milliarden Tugrug.
16,2 Milliarden werden aus dem Entwicklungsfonds des mongolischen Staates zur Verfügung gestellt.


Ts. Elbegdorj am 07.04.07 auf dem Su-Platz

18 Jahre Demokratie
Die Demokratische Partei feierte am 07. April auf dem Sukhbaatarplatz „18 Jahre Demokratie in der Mongolei". Die Parteiorganisationen der Stadtbezirke stellten sich in eigens aufgebauten Gers den Fragen und Vorschlägen der Mitglieder, Anhänger und Neugierigen.
Auf einer großen Bühne wurde ein Estradenprogramm geboten, die DP-Parteiführung legte am Chinggis-Denkmal Blumenkränze nieder.
Parteivorsitzender Tsakhiagiin Elbegdorj erinnerte an den demokratischen Aufbruch vor 18 Jahren und die seitdem erzielten Erfolge: Freiheit der Religionsausübung, Privateigentum, Parteienvielfalt, freie Presse, freie Wahlen.
Der Tag klang mit einem prächtigen Feuerwerk auf dem Sukhbaatarplatz aus.
G. Arslan, der mit seinen Getreuen, ebenfalls auf dem Sukhbaatarplatz, seit Tagen Unterschriften für eine Auflösung der MRVP sammelt, meinte nur lapidar, „Die sollen nicht feiern, sondern kämpfen".


Die 18-jährigen J. Delgermurun und B. Tsetsegsuren beim Verteilen von DP-Infomaterial

Für die Pflege der mongolischen Sprache
Auf der Vollversammlung der Akademie der Wissenschaften am 05. April standen Fragen der Sprachpolitik im Mittelpunkt.
Die Wissenschaftler kritisierten die wahllose Übernahme fremdsprachiger Begriffe, nicht alle ließen sich mit der Globalisierung rechtfertigen.
Die Jugendsprache verarme zusehends, die Medien seien auch keine große Hilfe bei der Pflege eines guten Mongolisch.
Namen in der Wirtschaft, öffentlicher Einrichtungen, in der Werbung, sogar Straßennamen  zeugten von der Missachtung der Muttersprache.
Von 48 000 Wirtschaftseinheiten hätten 40 Prozent ausländische Namen gewählt.
Seit dem 20. Jahrhundert sei die Zahl der Sprachen in der Welt drastisch gesunken. „Wir wollen, dass Mongolisch auch noch am Ende des 21. Jahrhunderts gesprochen und geschrieben wird" beschwören die Akademiker am Ende ihrer Sitzung die Bildungspolitiker und alle Bürger ihres Landes.

Für Diebstahl von 80 Cent zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt
Der mongolische Präsident Nambaryn Enkhbayar hat eine junge Frau, die für den Diebstahl von 1 300 Tugrug, das sind etwa 0,80 Cent, zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war, begnadigt.
Am vergangenen Wochenende wurde sie aus dem Frauengefängnis im Stadtbezirk Bayanzurkh in Ulaanbaatar entlassen.
Ihre Verteidigerin, Frau B. Soyol-Erdene, hatte sich gleich nach der Urteilsverkündung im November 2006 um eine Begnadigung für ihre Mandantin bemüht. Das Gericht verletzte nicht etwa die Gesetze. Laut Strafprozessordnung sind für Diebstahl im Wiederholungsfall drastische Strafen vorgesehen. Soyol-Erdene und der Menschenrechtler Ichinnorov fordern deshalb eine Revidierung ähnlicher Bestimmungen des Strafrechts im Allgemeinen und des Kinder- und Jugendstrafrechts im Besonderen.
Gefragt, was sie nach der Haftentlassung zuerst tun will, antwortete P. Ariuntsetseg: „Zuerst werde ich in den Khentii fahren, wo meine Eltern und meine Tochter leben".
Bis zum vollendeten ersten Lebensjahr des Mädchens konnte es Ariuntsetseg im Gefängnis selbst betreuen, dann wurde das Kind den Großeltern übergeben.

Höchststrafe für Mord an Japaner
Das ehemalige Mitglied der Bürgerbewegung „Weite Mongolei", S. Tserendorj, wurde vom Stadtbezirksgericht Sukhbaatar am 05. April für den Mord an dem japanischen Seniorberater Kawasaki zum Tode verurteilt. Die Tat ereignete sich in der Nacht vom 30. zum 31. Oktober 2006.
Kawasaki (69) war im Auftrag der japanischen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (Jaika) als Berater beim mongolischen Fernsehen tätig.
Tserendorjs Verteidigerin, Ts. Itgel (bekannt geworden als Verteidigerin des Schauspielers J. Sukhkhuyag – „Batmunkh Dayan Khaan" - der des Mordes an seiner Frau beschuldigt wird), weist eine Tötungsabsicht ihres Mandanten zurück. Der sei erbost gewesen über die Beziehungen des Opfers zu jungen Mongolinnen. Es kam zum Streit, in dessen Verlauf K. das Bewusstsein verlor. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass er sterben wird", so der Täter.
Erklären konnte er dann allerdings nicht, wieso er und seine beiden Begleiter Gegenstände im Wert von vier Millionen Tugrug aus der Wohnung mitnahmen.
Die Verteidigerin hat Berufung gegen das Urteil angekündigt.

Tod im Schneesturm
Am vergangenen Wochenende tobten über weiten Teilen der Mongolei Schneestürme.
Besonders betroffen war der Khentii-Aimag. Obwohl die Behörden rechtzeitig vor dem Unwetter gewarnt hatten, verirrten sich zehn Araten mit ihren Herden. Neun Hirten konnten von den Suchmannschaften in Sicherheit gebracht werden. Einer der Vermissten, er stammte aus dem Bayanmunkh-Sum, konnte nur noch tot geborgen werden. Er hatte am 31., gegen 10:00 Uhr, sein Lager verlassen, am Abend, gegen 19:00 Uhr, wurde er gefunden.
Die Sonderkommission des Aimags überwies den Angehörigen des Verunglückten 200 000 Tugrug an Soforthilfe.

Mongolin in japanischer Einwanderungsbehörde gestorben
Am 31. März ist eine 25-jährige Bürgerin der Mongolei in einem Raum der japanischen Einwanderungsbehörde gestorben.
Sie war an der Grenze festgenommen worden, obwohl sie ein Visum vorweisen konnte.
In Japan gibt es kein Gesetz über Leiharbeit, erlaubt sind lediglich Praktikumsaufenthalte.
Der jungen Mongolin drohte die Abschiebung, verbunden mit der Übernahme aller damit im Zusammenhang stehenden Kosten.


   

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