Neues aus der Mongolei
19. November bis 16. Dezember 2018

Renate Bormann, Berlin

Kein Ende der politischen Krise in Sicht
Seit Wochen treibt politische Beobachter in Ulaanbaatar die Frage um, wer im innerparteilichen Kampf um die Macht Sieger bleibt: Ministerpräsident U. Khurelsukh oder der Vorsitzende der Großen Staatsversammlung M. Enkhbold.
Die einen fordern den Rücktritt der Regierung, die anderen wahlweise die Selbstauflösung der Staatsversammlung und/oder den freiwilligen Rücktritt Enkhbolds.
Die Rücktrittsforderung an die Adresse der Regierung scheiterte an drei Abgeordneten der DP, die sich dem Votum der Fraktion widersetzten.
Das prominente DP-Mitglied J. Batzandan ist wegen parteischädigendem Verhalten auf Betreiben des Parteivorsitzenden Erdene aus der Partei ausgeschlossen worden, L. Bold und D. Murat werden für die Wahlen 2020 nicht auf die Kandidatenliste gesetzt. L. Bold hatte daraufhin seinen Rücktritt aus der DP-Fraktion erklärt.
Zur Verteidigung der Regierung sei eine neue „MANAN" (MVP/DP)- Fraktion entstanden: T. Ayursaikhan, L. Oyun-Erdene, B. Enkh-Amgalan (MVP-Fraktion) und L. Bold, J. Batzandan, ehemals DP-Fraktion.
Unter anderem mit einem Sitzstreik vor dem Regierungsgebäude wollten sie den Rücktritt des Vorsitzenden der Staatsversammlung erzwingen.
Regierung und Staatsversammlung blockieren sich nun gegenseitig.
Die Staatsversammlung ist nicht mehr beschlussfähig, da zahlreiche Abgeordnete die Sitzungen boykottieren.
So konnte auch der neue Landwirtschaftsminister noch nicht in sein Amt berufen werden.
Die Krise schwelte im Grunde seit den Wahlen 2016, eskalierte jedoch beim Streit um den Umgang mit den Nutznießern von Geldern aus dem „Fonds zur Unterstützung kleiner und mittlerer Betriebe".
Die Enkhbold-Unterstützer beschuldigen die Khurelsukh-Unterstützer der Verteidigung dieser "Diebe".

Rücktritt des Vorsitzenden der Staatsversammlung gefordert
38 Mitglieder der Großen Staatsversammlung haben am 13. Dezember ein Schreiben mit der Rücktrittsforderung an den Vorsitzenden der Großen Staatsversammlung M. Enkhbold übergeben.
Die planmäßige Tagung der Staatsversammlung am 14. Dezember fiel aus, da die Regierungsmitglieder und weitere Mitglieder der Staatsversammlung nicht erschienen waren.
Daraufhin wandte sich Enkhbold mit einer Rede an die Mitglieder der Regierung und der Staatsversammlung.
Mit Rücktrittsforderungen sei er nicht zum ersten Mal konfrontiert. Sowohl Präsident Battulga als auch der Vorsitzende meiner Partei und Regierungschef U. Khurelsukh sowie Mitglieder der MVP-Fraktion und der Ständigen Ausschüsse hätten ihn wiederholt zum Rücktritt aufgefordert.
Er sei 2016 zum Vorsitzenden der Staatsversammlung gewählt worden, diese Rücktrittforderungen verstießen gegen die Verfassung, die Gesetze über die Parteien und die Staatsversammlung.


Ministerpräsident U. Khurelsukh in Japan. Foto montsame.mn

Ministerpräsident Khurelsukh in Japan
Auf Einladung seines Amtskollegen Shinzo Abe absolvierte Ministerpräsident U. Khurelsukh vom 12. bis zum 15. Dezember einen offiziellen Besuch in Japan.
Beide Seiten vereinbarten eine Ausweitung der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit beim Handel, beim Naturschutz, bei Kultur und Wissenschaft und betonten die Erfolge bei der Umsetzung der strategischen Partnerschaft.
Zurückgekehrt in die Heimat, verzichtete der Regierungschef erneut auf eine Teilnahme an den Sitzungen der Großen Staatsversammlung.
Auch die die Ausschüsse können wegen mangelnder Beteiligung nicht tagen.


Ri Yong Ho und D. Tsogtbaatar. Foto news.mn

Außenminister Nordkoreas zu Gast in der Mongolei
Anlässlich des 70. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Mongolei und Nordkorea hat Außenminister Ri Yong Ho am 08. und 09. Dezember der Mongolei einen offiziellen Besuch abgestattet.
Die Gespräche zwischen Außenminister D. Tsogtbaatar und dem koreanischen Gast hätten in einer freundschaftlichen und schöpferischen Atmosphäre stattgefunden.
Die Mongolei und Nordkorea vereinbarten eine engere Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur und Bildung, Sport sowie Wirtschaft.
Tsogtbaatar wies auf das Streben der Mongolei hin, die Region und auch die koreanische Halbinsel zur atomwaffenfreien Zone zu erklären und Frieden und Sicherheit auf dem Weg konstruktiver Gespräche zu erhalten.
Ri Yong Ho erläuterte, das Bestreben der Demokratischen Republik Korea gehe in dieselbe Richtung.

 Rücktritt des Regierenden Bürgermeisters
Auf Anordnung von Ministerpräsident U. Khurelsukh und einer Abstimmung in der Stadtverordnetenversammlung Ulaanbaatars, hat der Regierende Bürgermeister von Ulaanbaatar Sunduin Batbold am 10. Dezember sein Amt zur Verfügung gestellt.
Khurelsukh begründete seinen Schritt mit der mangelnden Fähigkeit des Bürgermeisters, die Probleme der Stadt (Verkehrschaos, Luftverschmutzung u. a.) einer Lösung näher zu bringen.
Bis zur Wahl eines neuen Stadtoberhaupts werde der für Grüne Entwicklung und Reduzierung der Luftverschmutzung verantwortliche Bürgermeister J. Batbayasgalan die Geschäfte führen.
In seiner Rede an die Stadtverordneten wies Batbold auf die Erfolge der UB-Verwaltung in den vergangenen zwei Jahren hin.
Es gäbe keinen Grund, die Kämpfe zwischen den obersten Staatsorganen auf andere zu übertragen.
Der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung S. Amarsaikhan dankte dem scheidenden Oberbürgermeister für die geleistete Arbeit.

Statistik Dezember 2018
Nach Angaben aus dem Nationalen Amt für Statistik vom 12. Dezember sind die Preise für Waren des täglichen Bedarfs um 5,4 Prozent im Vergleich zum Vormonat gestiegen und um 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Ein kg Hammelfleisch kostete in der Vorwoche 6.680 Tugrug, ein kg Rindfleisch 8.420 Tugrug, Rinderfilet 10.210, Pferdefleisch 6.450 und Ziegenfleisch 5.400 Tugrug.

Höherer Mindestlohn
Im August dieses Jahres einigten sich der Minister für Arbeit und Soziale Sicherheit S. Chinzorig, der Präsident des Mongolischen Gewerkschaftsverbandes Kh. Amgalanbaatar und der Direktor des Verbandes der Mongolischen Arbeitgeber auf die Erhöhung des Mindestlohns von 240.000 Tugrug auf 320.000 Tugrug.
Von den 1,4 Millionen Werktätigen in der Mongolei beziehen 112.000 lediglich den Mindestlohn.
Ab dem 01. Januar 2019 bekommen sie 320.000 Tugrug, ab Januar 2020 soll der Mindestlohn noch einmal auf dann 420.000 Tugrug angehoben werden.

Ablösung des Krankenhaus-Direktors
Am späten Abend des 03. Dezembers hat eine 26-jährige werdende Mutter ihr Kind im Freien zur Welt bringen müssen.
Zuvor war sie im Nationalen Zentrum für die Gesundheit von Mutter und Kind von einer Krankenschwester mit der Begründung „Entbindungen finden bei uns nicht statt", abgewiesen worden.
Für den Vorfall hat der Direktor der Gesundheitseinrichtung Sh. Enkhtur die Verantwortung übernommen und ist zurückgetreten.


Schneeleopard. Foto news.mn

Schneeleopard gesichtet
Anfang Dezember hat eine von Naturforschern installierte Kamera im Naturschutzgebiet Baishint-Gebirge im Uench-Sum im Khovd-Aimag Aufnahmen eines der äußerst scheuen und nur extrem selten zu sehenden Schneeleoparden aufgezeichnet.
Schneeleoparden leben in den Hochgebirgen Zentral- und Mittelasiens.
Ihr Lebensraum umfasst etwa zwei Millionen km2 in 12 Ländern.
Zurzeit, so schätzen die Naturforscher, gäbe es weltweit noch 4.080 bis 6.050 Schneeleoparden.


Erdene Zuu

Erdene Zuu
„Erdene Zuu" im Uvurkhangai-Aimag, unweit der ehemaligen mongolischen Hauptstadt Karakorum, ist das älteste buddhistische Kloster der Nordmongolei.
Sein Bau geht auf eine Initiative des Khalkh-Khans Abtai, eines direkten Nachkommen Chinggis-Khaans, aus dem Jahr 1586 zurück.
Das Kloster mit dem angeschlossenen Museum gehört zu den wichtigsten Bestandteilen des kulturellen und historischen Erbes der Mongolen,
Jahr für Jahr besuchen es Scharen von ausländischen und inländischen Touristen, 50.000, davon die Hälfte Ausländer.
Jetzt schlägt der Manager des Museums Ts. Sodnomtseren Alarm.
Viel zu wenig Aufmerksamkeit widmeten Regierung und zuständige Behörden der Bewahrung dieses Kleinods der mongolischen Religions- und Kulturgeschichte.


Lageplan

Eine dringend notwendige Generalreparatur werde immer wieder aufgeschoben.
Es gäbe keinen Plan, kein Programm zur Restaurierung wertvoller Kunstschätze.
Im Winter könne nicht geheizt werden im Sommer sei der Zustrom an Gästen kaum zu bewältigen (fehlende sanitäre Anlagen, mangelnde Sicherheitsvorkehrungen etc.).


Im Kloster Erdene Zuu

Zur Blütezeit des Klosters im 18. Jahrhundert gab es 60 Tempel und Dugans, die meisten seien in den 30-er Jahren des 20. Jahrhunderts in Folge der stalinistischen Repressionen vernichtet worden.
Heute existierten noch 20, von denen zehn dringende Reparaturen benötigten.


Mongolyn Nuuts Tovchoo

„Die Geheime Geschichte der Mongolen"
Das letzte Kolloquium des Jahres am Zentralasienseminar/Mongolistik der Humboldt-Universität zu Berlin war der Präsentation des Buchprojekts „Die Geheime Geschichte der Mongolen" gewidmet.
Die Veranstaltung am 12. Dezember diente gleichzeitig der Würdigung der Verdienste von Dr. Renate Bauwe um die internationale und deutsche Mongolistik.


Renate Bauwe und E. Otgonbayar

Renate Bauwe und der mongolische Maler M. A. Ershuugiin Otgonbayar („Otgo") arbeiten seit fast 20 Jahren an der Neuübersetzung und Bearbeitung des bekanntesten Geschichts- und Literaturdenkmals der Mongolen als Comic.
Renate Bauwe hat Mongolistik und Sinologie in Berlin und Ulaanbaatar studiert und danach über 30 Jahre lang an der Sektion Asienwissenschaften der Humboldt-Universität mongolische Sprache und Literatur gelehrt.
Seit Ende der 1990-iger Jahre ist sie als freiberufliche Übersetzerin, Sprachlehrerin, Gutachterin und Herausgeberin tätig. Aktuell arbeitet sie an einer Übersetzung der „Geschichte vom Mondkuckuck", ein in der Mongolei sehr beliebtes Theaterstück, verfasst im 17. Jahrhundert.
E. Otgonbayar hat an der Kunsthochschule in Ulaanbaatar Malerei und Kunstgeschichte studiert und an der Universität der Künste in Berlin seinen Master of Arts erworben.
Als Maler und Restaurator nahm an Forschungsreisen in die Mongolei teil, machte sich in den buddhistischen Klöstern mit den Techniken und der Ikonografie der Miniaturmalerei und deren spirituellen Hintergründen vertraut.
Seit 2005 lebt er in Berlin. Mit seinen Werken beteiligt er sich regelmäßig an Ausstellungen in Deutschland, Frankreich, Belgien, Indien, Japan, Schweden, in den Vereinigten Arabischen Emiraten u. a.


R. Bauwe und Dulguun

Nach den Ehrungen und dem Überreichen der Blumen und Geschenke an die verdiente Mongolistin durch Frau Dr. G. Altangerel, den Ersten Sekretär der mongolischen Botschaft in Berlin Ganbatyn Dulguun, der das Grußwort des Botschafters Dr. D. Ganbat übermittelte, die Mitinitiatorin des Projekts „Urban Nomads//Nomad Citizens" Corinna Bethke sowie eine Vertreterin von „MIAT", referierte E. Otgonbayar über die Schwierigkeiten und Herausforderungen bei der Umsetzung des Projekts. Die Geheime Geschichte, in der Ereignisse vom 8. bis zum 13. Jahrhundert geschildert werden, sei Chronik und Epos zugleich.
Zahllose Mythen, eine Fülle von Personennamen, bildhaften Ausdrücken, archaischen Gestalten, heute ungebräuchlichen Begriffen und Sprichwörtern galt es zu entschlüsseln und zeichnerisch darzustellen.
Inzwischen seien zwei Bände mit 624 Seiten und 3.000 Zeichnungen fertiggestellt.
Es sei keine Auftragsarbeit, „wir stehen nicht unter Druck. Unser Ziel ist es, ein künstlerisch und wissenschaftlich hohen Standards genügendes Werk vorzulegen".
Renate Bauwe sprach über die Geschichte hinter der „Geheimen Geschichte".
Die Neuherausgabe der „Geheimen Geschichte" als Comic basiere auf der Arbeit des namhaften mongolischen Literaten und Wissenschaftlers Tsendiin Damdinsuren (1908-1986).
Große Teile des Werks seien in Prosa verfasst, vor besonderen Herausforderungen standen wir bei der Übertragung der Gedichte und Alliterationen.
„Als Studentin war mir das Studium der ellenlangen genealogischen Aufzeichnungen in der Geheimen Geschichte eher ein Graus, mit der Neuübersetzung erschloss sich mir aber doch deren Bedeutung für das bessere Verständnis der historischen Zusammenhänge".
Das Interesse an der Vorstellung der Arbeit war riesengroß. Die Helfer kamen gar nicht nach mit der Bereitstellung zusätzlicher Stühle. Nicht nur Studenten und Mitarbeiter am Zentralasienseminar/Mongolistik, sondern auch ehemalige Kollegen, ehemalige Studenten, in Deutschland lebende Mongolen, deutsche Freunde der Mongolei verfolgten die anschaulichen Ausführungen der beiden Autoren.


Zeichnungen E. Otgonbayars

 

Fotos, wenn nichts anderes vermerkt, Renate Bormann



 
 

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