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Allgemeines zur Rechtsentwicklung

Herausgeber: Dr. Dietrich Nelle


1. Allgemeines zur Rechtsentwicklung

Literaturhinweise

Barkmann, Geschichte der Mongolei, Bonn 1999.

Becker, The Lost Country: Mongolia revealed, London 1993.

Fritz, Doppelte Transition in der Mongolei. Politischer und wirtschaftlicher Wandel unter dem Einfluss ausländischer Geber, in:  Demokratie und Entwicklung 35, Münster/Hamburg/London 1999.

Nelle, Rechtliche Transformationsprozesse in der Mongolei von der Zeit Dschingis Khans bis zum Ende des Sozialismus, in: ASIEN 86 (Januar 2003), S. 32-49

Ders., Transformationsprozesse in Recht und Wirtschaft der Mongolei seit 1990, in: ASIEN 87 (April 2003), S. 5-29

Ders., Die Reform von Zivilrecht, Zivilverfahren und zivilrechtlicher Vollstreckung in der Mongo­lei, in: Jahrbuch für Ostrecht 46 (2005), S. 357-392

Scholler, Bedeutung der Lehre vom Rechtskreis und der Rechtskultur, Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft (ZVglRwiss) 99 (2000), S. 373 ff.

Staisch/Prohl, Dschingis Khan lächelt, Bonn 1998, S. 35 ff.

Stelter/Günther, Rechtliche Aspekte der marktwirtschaftlichen Transformation in der Mongolei, Osteuropa‑Recht 38 (1992), S. 304 ff.

Wolf, Die Mongolische Volksrepublik auf dem Weg in eine pluralistische Gesellschaft, in: Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien – Aktuelle Analysen Nr. 36/1990.


1.1 Gesetzgebungsverfahren
(Quelle: Dr. Dietrich Nelle, Bonn, Oktober 2009)

Die Initiative für das Einbringen von Gesetzen steht gemäß der Verfassung dem Präsidenten, der Regierung und den Parlamentsabgeordneten zu (Art. 26). Zu den Prärogativen des nationalen Gesetzgebers gehören u.a. die Festlegung der Staatsgrenzen, Organisationsgesetze auf der zentralen Ebene, das Recht auf Amnestie und die Festlegung des Staatshaushalts (Art. 25). Der Präsident kann gegen Gesetze und andere Parlamentsbeschlüsse ein Veto einlegen (Art. 33). Dieses kann den Beschluss ganz oder auch nur teilweise betreffen. Das Veto kann mit einer Zweidrittel-Mehrheit überstimmt werden.

Das Gesetz über die Gesetzgebungstätigkeit des Parlaments enthält die Einzelheiten des Gesetzgebungsverfahrens und wurde zuletzt 2006 neu gefasst (Töriin medeelel 2006, Nr. 8).

Ein Referendum kann auf Beschluss des Parlaments abgehalten werden; ein solches Referendum ist nur wirksam, wenn sich mindestens die Hälfte der Wahlberechtigten daran  beteiligt haben (Art. 25 Abs.1 Ziff. 16 Verf.).

Innerhalb ihrer Zuständigkeiten können auch der Präsident Dekrete (Art. 34 Verf.) und die Regierung Regelungen, Richtlinien und Verordnungen erlassen (Art. 45 Verf.).

Gesetzesinitiativen gehen in der Regel von der Regierung aus, Initiativen des Präsidenten oder aus der Mitte des Parlaments sind selten. Zu Beginn eines Gesetzgebungsprozesses setzt  das zuständige Ministerium üblicherweise eine kleine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern und externen Fachleuten ein. Vorgaben für eine förmliche Einbeziehung anderer Institutionen oder von Interessensgruppen gibt es nicht. Nach Billigung des so entstandenen Entwurfs durch die politische Leitung findet eine Ressortabstimmung statt, bei welcher insbesondere das Finanz- und das Justizministerium eine starke Rolle spielen. Nach Kabinettsbeschluss wird der Entwurf an das Parlament weitergeleitet. Dort hat der jeweils federführende Ausschuss eine starke Stellung, die er gern bereits in dieser Phase zu detaillierten inhaltlichen Abänderungen nutzt. Auf der Grundlage der Berichte des federführenden und der ggf. mitberatenden Ausschüsse sowie Gegenvoten der Oppositionsvertreter findet eine erste Lesung statt, welche bereits zu einer Detailaussprache genutzt wird. Im federführenden Ausschuss wird auf dieser Grundlage der Entwurf überarbeitet und dem Plenum für die zweite Lesung eine Endfassung des Gesetzes vorgeschlagen. Die beschlossenen Gesetze werden vom Parlamentspräsidenten ausgefertigt und zur Verkündung an das Amtsblatt weitergeleitet. Er verfügt dabei im Prinzip über die Möglichkeit, letzte redaktionelle Bereinigungen vorzunehmen, allerdings hätte die Wahrnehmung dieser Kompetenz schon einmal fast zur Amtsenthebung des Parlamentspräsidenten geführt.

Gesetze werden im staatlichen Anzeiger (töriin medeelel) publiziert. Sofern nichts anderes bestimmt ist, tritt das Gesetz 10 Tage nach seiner Verkündung in Kraft (Art. 26 Abs. 3 Verf.).

1.2 Auslegung von Gesetzen

Bei der Auslegung von Gesetzen wird eine Kombination von wörtlicher, teleologischer und historischer Auslegung angewandt. Eine Besonderheit des ehemaligen sowjetischen Rechtskreises ist die Befugnisse der obersten Gerichte, verbindliche Interpretationen von Gesetzen vorzunehmen. So ist auch der Oberste Gerichtshof der Mongolei befugt, verbindliche Interpretationen von Gesetzen („Kommentare“) unterhalb der Verfassung vorzunehmen (Art 50 Abs 1 Ziff 4 Verf.). Auf diese Weise können insbesondere in der richterlichen Praxis zu Tage getretene Zweifelsfragen in einer  übersichtlichen, leicht erschließbaren Form klargestellt werden.

1.3 Gesetzgebungsprogramm 2001
(Quelle: Nelle, Chronik der Rechtsentwicklung in der Mongolei, Wirtschaft und Recht in Osteuropa (WiRO) 2001, S.191-192)

Zu Beginn der Legislaturperiode 2000 bis 2004 hat das mongolische Kabinett hat ein ehrgeiziges Rechtsreformprogramm vorgelegt (Regierungsbeschluss Nr. 35/20 vom 31. 3. 2001). Im Rahmen dieses Plans sollten insgesamt 137 Gesetze aus allen Politikbereichen neu ausgearbeitet werden, der Großteil der Entwürfe sollte danach noch im Jahr 2001 eingebracht werden, so u.a. das Zivilgesetzbuch, die Zivilprozessordnung, das Zwangsvollstreckungsgesetz, das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung und das Gesetz über Landbesitz. Erstmalig erlassen wurden u. a. eine Verwaltungsverfahrens‑ und ‑gerichtsordnung, ein Arbeitsförderungsgesetz sowie ein Arbeitnehmerentsendegesetz. Nachdem im letzten Jahrzehnt in raschem Takt fast alle Gesetze von Grund auf verändert wurden, ging es bei den diesen Reformen v. a. darum, vor dem Hintergrund der Erfahrungen bei der Anwendung dieser Gesetze in den letzten Jahren längerfristig tragfähige Lösungen zu finden und die Vereinbarkeit der Gesetze untereinander zu verbessern. Diese Pläne hat das mongolische ParlamDent wenig später bestätigt (Beschluss des Parlamentes Nr. 44 vom 18.05.2001, Töriin medeelel 2001, Nr. 21).

1.4 Gesetzgebungspaket zur Justizreform 2001

(Quelle: Nelle, Chronik der Rechtsentwicklung - Mongolei in: Wirtschaft und Recht in Osteuropa (WiRO) 2001, S. 221-223)

Einen außergewöhnlichen Meilenstein in der mongolischen Rechtsgeschichte bildet das vom Parlament nach mehrjährigen, intensiven Vorarbeiten verabschiedete Gesetzespaket zur Reform von Zivilgesetzbuch, Zivilprozessordnung, Vollstreckungsrecht, Strafgesetzbuch sowie Strafprozessordnung, welches zum September 2002 in Kraft treten wird. Der mongolische Gesetzgeber hat dabei bewusst alle zentralen Gesetze des Justizwesens parallel behandelt, um ein inhaltlich, systematisch und terminologisch möglichst konsistentes Regelwerk zu schaffen. Bei all diesen Vorhaben ging es nicht um radikale Neuschöpfungen, sondern um eine Anpassung an die gewandelten gesellschaftlichen Verhältnisse, das Füllen von Regelungslücken und die Behebung von Mängeln, die bei den geltenden Gesetzen beobachtet wurden. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass nach einem Jahrzehnt grundlegender Reformen in rascher Folge nunmehr zumindest in diesem Kernbereich mittelfristige Stabilität einkehrt. Wichtigste ausländische Orientierungspunkte sind - wie schon bei den vorherigen Reformgesetzen - die entsprechenden Gesetzgebungen Deutschlands, Russlands und Japans; zugrunde gelegt wird weiterhin die kontinentaleuropäische Rechtsmethodik. Bemerkenswert ist die Kontinuität, mit welcher diese 1998 begonnenen Vorhaben nach einer tiefgreifenden Veränderung der politischen Mehrheitsverhältnisse bei den Parlamentswahlen im Jahre 2000  von der bisherigen Opposition vorangetrieben wurde.

Im diesem Rechtsreformprogramm war auch bereits fest vorgesehen, nach Verabschiedung dieser zentralen Reformgesetze auch die zivil- und wirtschaftsrechtlichen Nebengesetze zu überarbeiten und zu harmonisieren, so insbesondere das Gesellschafts-, Konkurs-, Wettbewerbs-, Wertpapier- und Schiedsgerichtsbarkeitsrecht.


Informationen zur Mongolei:
MongoleiOnline
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Last Update: 03. Januar 2021