Volksmusik und Jazz -  „Summertime“ von Gershwin  mit Streichern – Rene Bottlang  experimentiert mit Jazz auf klassischen und folkloristischen Instrumenten

Von Hugo Kröpelin / Berlin


Das Jazzorchester mit vier Philharmonikern und einem Pianisten 
© Hugo Kroepelin

Waren zu sozialistischen Zeiten ranghöchste Leute aus der DDR zu Gast, dann hatten die mongolischen Gastgeber nicht selten musikalische Leckerbissen auf Lager: Das Staatliche Volksmusikensemble spielte mit Pferdegeigen, Jatag, Schands, Limbe, Khuutschir und anderen nationalen Instrumenten deutsche Volkslieder. Schon in den 70-er Jahren wurde im Opernhaus am Sukhbaatarplatz Smetanas „Verkaufte Braut“ inszeniert, mit klassischen Instrumenten, versteht sich. 25 Jahre später bescheinigte denn auch der  Freiburger Musikprofessor Bernhard Wulff der Mongolei eine „fantastische Infrastruktur zur Pflege von Musik aus aller Welt“.  Und übernahm die Regie für zwei Festivals Neue Musik unter dem Titel „Dröhnende Hufe“. Der Dirigent  und Komponist brachte seine besten Schüler mit und eine Improvisation zu Gehör – gespielt von Sopransaxofon, Alphorn, Klavier, Bambusflöte, Tabla aus Indien und Metall-Klangskulptur aus Palästina sowie mit vier einheimischen Streich- und Zupfinstrumenten. 

In dieser Szene fühlt sich ein Mann wohl, der Musik im Plural versteht: Rene Bottlang. Vor vier Jahren stellte er ein Ensemble zusammen, „das sich einerseits dem ’Zeitgenossentum’ verschrieben hat und andererseits mit dem Wort ‚Musik’ in der Mehrzahl  einen radikal elementaren Anspruch bereits mit seinem Namen signalisiert“, das eine „provokante Gegenposition gegenüber einer Szene bezieht, deren technokratisch-hypertrophes Spezialistentum sich oft schon in den Namen ihrer Ensembles widerspiegelt (‚modern’, ‚Klang’, ‚Kontrast’ usw.)“ So weit ein Schweizer Rezensent. Rene Bottlang will „einen von Dogmen freien Pluralismus der Stile, der keineswegs als geschichts- und bewusstloses Wüten in Sinne eines schicken ‚Anything goes’ missverstanden wird, sondern persönliche Neigungen (Schubert, Debussy, Satie, u.a.) zu einer eigenständigen musikalischen Handschrift formt“. 


Rene Bottlang 
– Komponist, Arrangeur, Pianist und Pferdegeiger
© Hugo Kroepelin

Geboren 1953 in St. Gallen (Schweiz), studierte Rene Bottlang am Konservatorium in Lausanne und an der Swiss Jazz School in Bern. Mit seinem „Orchestre a`musiques“ gastierte er in den  70-er Jahren auf mehreren Jazzfestivals, darunter in Moers, Zürich und Paris. In der französischen Metropole siedelte er sich 1977 fest an und arbeitete als Pianist wie als Komponist mit den bedeutendsten Musikern der französischen Jazzszene. In seinem Schaffenskatalog findet man Auftragsarbeiten für Festivals, Medien und das Schauspielhaus Berlin, das heutige Konzerthaus am Gendarmenmarkt, Solokonzerte und Duoarbeiten mit berühmten Leuten. Bei seinem ersten Mongoleiaufenthalt gab er mehrere Konzerte, auch mit einheimischen Musikern. Arbeiten mit Harald Koelbl und mit dem „Orchestre a´ musiques“ in Wien folgten, bevor sich Bottlang wieder der Mongolei widmete. 


Frau Sugarkhuu am Kontrabass
© Hugo Kroepelin


Musikstudentin und
Jazzsängerin Ayana
© Hugo Kroepelin


Frau Dolgormaa (Geige)

 
© Hugo Kroepelin


Herr Sodbileg (Bratsche)
© Hugo Kroepelin

Mit der Erfahrung, dass sich hier gut experimentieren lässt, machte sich der Tonschöpfer und Interpret ans Werk. Er lernte das Spiel auf der Pferdegeige, holte sich vier Künstler dieses Instruments, das wohl in keinem anderen Land so gepflegt wird, gründete die Gruppe „Altai-Khangai“, führte sie auf die einheimische Konzertszene und machte mit ihr eine Gastspielreise nach Frankreich. Zusammen mit der Gesangsstudentin Ajana, die er am Konservatorium von Ulaanbaatar entdeckte, brütete er die Idee aus, Jazz und Swing in der Mongolei populär zu machen. Die Instrumentalisten fand er in der Philharmonie: die Geigerinnen Dolgormaa und Adyabileg, die Kontrabassistin Sugarkhuu und den Bratschisten Sodbileg. „Die Streicher der Philharmoniker haben nun mal nicht viel Gelegenheiten, sich außerhalb des Orchesters zu präsentieren“, meint der gebürtige Schweizer. Sind die Mongolen nach Jahrezehnte langer unfreiwilliger Abstinenz neugierig auf Jazz und Swing? Rund  350 Besucher bewiesen das, obwohl nur wenige Schwarz-Weiß-Plakate und ein Zeitungsartikel das Konzert im kleinen Saal der Philharmonie ankündigten. Herzlicher Beifall des Publikums, darunter vielleicht ein Viertel aus Jazz-gewohnten Ländern, dankte u.a. für die „Night in Tunesia“ von Dizzy Gillespie, „Sophisticated Lady“ von Duke Ellington und „Summertime“ von George Gershwin, sämtlich gesungen von Ajana.

Als das erste Jazzkonzert verklungen und die vier Philharmoniker bei der Arbeit im großen Orchester waren, machte sich Rene Bottlang ans nächste Werk. Er rief die Pferdegeiger von „Altai-Khangai“ wieder zusammen, mit denen er Stücke einstudierte, die er zum Teil selbst komponiert und sämtlich neu arrangiert hatte. Am zweiten Sonntag im Januar gaben sie im Haus der Russischen Wissenschaft und Kultur ein stark beachtetes Konzert mit klassischem und modernem Jazz, angereichert mit Liedern klassischen und mongolischen Charakters. Solistin war die Sängerin G.Narantuya aus der Inneren Mongolei. Mit diesem Ensemble plant Rene Bottlang eine Tournee nach Frankreich und anderen europäischen Ländern.

Da kann man nur gespannt sein, ob ihn der Weg auch nach Deutschland führt.

Quelle: mit freundlicher Genehmigung von Hugo Kröpelin, News Stories Photos aus Berlin und Brandenburg
(Januar 2001)


   

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Last Update: 03. Januar 2022