Mit einem Spielzeug-Klavier fing alles an
Mungo gastiert am 9. Mai wieder im Konzerthaus
Auch ihre Lehrerinnen in Europa

Von Hugo Kröpelin / Berlin


Ein BECHSTEIN von 1921 versetzt Mungo in Entzücken © Hugo Kroepelin

Von Oper und Klassik aus der Mongolei klingt kaum etwas nach Europa herüber, dabei wurde schon in den 70-er Jahren „Die verkaufte Braut" inszeniert, und die Staatliche Philharmonie spielt durchaus nicht nur Tschaikowski und Gontschigsumlaa.

Die ersten Klaviere hatten russische und amerikanische Händler zu Beginn des Jahrhunderts für den Hausgebrauch in die Mongolei geholt. Ein abenteuerliches Unterfangen, denn befestigte Straßen und Eisenbahn gab es damals noch nicht. 1978. gut 20 Jahre nach Gründung der ersten Musikschule in Ulan Bator nahm Janshindulamyn Mungo die ersten Klavierstunden. Gern erinnert sich die heute 28-Jährige, wie sie damals zur Musik fand: „Im Vorschulalter habe ich zu Hause immer laut gesungen, da schenkte mir meine Mutter ein Spielzeugklavier. Ich muss wohl Talent gezeigt haben, und als ich in die erste Klasse kam, malten mir die Eltern zum Üben eine Tastatur auf Karton. Für die Beweglichkeit der Finger waren diese Übungen von großem Nutzen." Ein Klavier privat anzuschaffen, war damals kaum möglich. Mit 13 Jahren gehörte die Musikschülerin zur Delegation für die XII. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Moskau, danach bot sich vier Wochen lang im Pionierlager Artek auf der Krim viel Gelegenheit, den Altersgenossen aus aller Welt mongolische und klassische Weisen zu Gehör zu bringen.

Mit dem sehr guten Zeugnis der Oberschule mit erweitertem Musikunterricht kam das Mädchen 1987 in eine Klavierklasse am Moskauer Gnessin-Institut. Hier holte die 19-Jährige ihre erste internationale Auszeichnung: ein Diplom beim Tschaikowski-Wettbewerb. Ein Zeugnis dieser Schule blieb ihr leider versagt. Drei Monate vor der Prüfung bildete sich an einem Handgelenk ein Überbein. Mungo folgte den Eltern, die sich inzwischen in Berlin nieder gelassen hatten, und konnte das Überbein mit einer Salbe „aufweichen". Daran denkt sie nur ungern zurück: „Ein Jahr Klavierverbot – das war eine schlimme Zeit!" Nach mehreren Bewerbungen kam 1992 die Zusage: Bei Prof. Braun an der Hochschule für Musik in Dortmund konnte sie die Ausbildung fortsetzen.

Über zahlreiche Solo- und Kammermusikkonzerte sowie Liederabende in deutschen Städten führten sie Professoren in Dortmund und Münster weiter nach oben. Unter anderem besuchte sie Meisterkurse bei Prof. Demus, Feuchtwanger, Ugorski, Merzhanov, Annie Gicquel, Irwin Gage (Liedbegleitung) und Voskressenski. Beteiligt war die junge Mongolin an Porträtkonzerten der Komponisten Baur und Hindemith, sie gestaltete die Liederzyklen „Winterreise" (Schubert) sowie „Dichterliebe" und „Liederkreis" op.24 (Schumann). Auch Musikbühnen im Ausland taten sich ihr auf: 1996 nahm sie am Klavierwettbewerb in Cantu (Italien) teil, ein Jahr später wurde ihr der 1. Preis des Kammermusikwettbewerbs in Pescara zuerkannt.

Seit 1998 ist Mungo Stipendiatin des Fördervereins der Musikhochschule Münster. Dort wirkt sie auch als beauftragte Lehrassistentin für den Madrigalchor an der Universität Münster, in Dortmund assistiert sie Prof. Schmid in einer Gesangsklasse. An einer Privatschule der westfälischen Großstadt gehören 7- bis 35-Jährige zu ihren Schülern. Manchmal denkt sie mit Wehmut an ihre Heimat. Früher war sämtliche Bildung kostenlos. Heute zahlt der Staat nur wenigen Stipendien. „Die Musikschulen sind privat, und die meisten Familien begabter Kinder können das Geld für diese Ausbildung nicht aufbringen."

Mungo indes will in Deutschland noch mehr lernen. Einen guten Lehrer für Liedbegleitung gebe es in Leipzig, da möchte sie gern aufgenommen. Manchmal macht sie auch Kammermusik im Duo oder im Trio, mit einem Streichquartett oder mit Oboe und Fagott. Wettbewerbe hält sie für einen wichtigen Weg: „Hier sammelt man die meisten Erfahrungen, und hin und wieder springt auch ein Preisgeld heraus. Dies ist sicher eine harte Form, sich zu präsentieren", meint sie, „aber über den Wettbewerb steigen die Chancen auf Konzertengagements und CD-Aufnahmen." Allerdings haben die „für mich viel Ähnlichkeit mit Sport oder Lotto: Entweder hat man Pech oder Glück."

Mit Berlin verbindet sie seit kurzem nicht nur das Elternhaus. Bei einem Gang durch Kreuzberg entdeckte sie auf einem Hinterhof einen großen Laden mit Pianos und Klavieren und angeschlossener Werkstatt. Deren Chef Valeri Kodysch, selbst Absolvent eines Konservatoriums in Rostow am Don, musste sie nicht lange bitten und ließ ihre Finger flink über einen „Bechstein" von 1921" huschen. Die Klangqualität war ihr eine sichtliche Genugtuung. Valeri Kodysch, angetan vom Können der jungen Pianistin, bot ihr an, beim nächsten Berlin-Urlaub wieder vorbei zu schauen. Nach dem Konzert vom September 1999 gibt sie am 9. Mai erneut ein Solokonzert an dieser honorigen Stätte.

Auf der Musikszene in Ulan Bator möchte sie sich nach Jahren der Abwesenheit auch wieder umsehen. „Dort finden die Klavierkonzerte meist in der Musikschule statt", weiß Lodoidambyn Nassanbat, früher selbst dort Lehrerin, die jetzt als Diplomatengattin in Berlin komponiert und manchmal eine Veranstaltung der Botschaft klassisch umrahmt. Auch andere ehemalige Kolleginnen sind derzeit in Europa. Frau Sayantsetseg unterhält in Madrid eine private Musikschule, Frau Erdenechimeg ist in Polen verheiratet und gibt Konzerte. Die musikalischste Botschaft der Mongolen steht allerdings in Brüssel: die Gattinnen des Ambassadeurs und zweier Mitarbeiter sind studierte Pianistinnen. In Berlin ist vielleicht die größere Breite: denn am 10.Mai, als sich der Förderverein „Freunde der Oper zu Ulaanbaatar" vorstellte, tauchten neben Frau Nassanbat noch zwei Streicherinnen auf. Und ob sich in Berlin schon alle mongolischen Talente geoutet haben – ich möchte es bezweifeln.

Quelle: mit freundlicher Genehmigung von Hugo Kröpelin, News Stories Photos aus Berlin und Brandenburg
(Mai 2001)


   

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Last Update: 03. Januar 2022